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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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hatte.
    »Wie heißt deine Tante?«
    «An Lu.«
    »An Lu.« Sie schrieb Lou. »Kannst du sie fragen ...« Kendra zögerte, der Junge war höchstens zehn. »Vor ein paar Stunden hat es unten einen Überfall gegeben. Ein Mann wurde getötet.«
    »Getötet?« Er zuckte zusammen und entblößte die Zähne.
    »Könntest du deine Tante fragen, ob sie etwas ...«
    »Wie denn getötet?«, fragte der Junge.
    An Lu wandte sich stoisch von einer Sprecherin zur anderen.
    »Wie gesagt, erschossen.«
    »Erschossen?«
    »Ja, erschossen«, sagte sie langsam. »Könntest du deine ...«
    Der Junge übersetzte für seine Tante, die Frau nahm die Nachricht mit nichtssagender Miene auf, wandte sich dann Kendra zu und schüttelte den Kopf.
    »Okay, kannst du sie fragen, ob sie vielleicht etwas gehört hat?«
    Wieder übersetzte der Junge, diesmal hatte die Frau etwas zu sagen. »Sie hat gehört, wie Leute sich angeschrien haben, aber sie versteht kein Englisch, also ...«
    »Diese Leute, wie haben die denn geklungen, weiß, schwarz, spanisch ...«
    Ein weiterer rascher Austausch, dann: »Sie sagt, amerikanisch.«
    »Worte würde sie natürlich nicht heraushören, aber vielleicht einen Namen.« Der Junge winkte die Frage als hoffnungslos ab. »Warum fragen Sie mich eigentlich nicht?«
    Kendra zögerte, keine Zeit für Spielchen, aber wenn der Junge unter Umständen etwas gehört hatte ...
    »Na schön.« Sie schwang ihren Stift wie einen Taktstock, damit er sich auch ernstgenommen fühlte. »Name?«
    » Winston Ciu.«
    »Na schön, Winston Ciu. Und du? Hast du irgendwas gehört oder gesehen?«
    »Nein«, sagte er, »aber hätte ich gern.«
     
    Die Dominikanerin im dritten Stock schlug, als sie die Polizistin vor der Tür stehen sah, die Hand auf die Brust und tat einen Satz rückwärts.
    »Allmächtiger, sehe ich wirklich so schlimm aus?«, fragte Gloria Rodriguez und strich sich das Haar glatt. »Entschuldigen Sie die frühe Störung, aber gleich hier draußen hat es eine Schießerei gegeben.«
    »Vor einer Stunde.« Die Frau trug eine Kaufhausbrille, ein geblümtes Hauskleid und Vinylschlappen.
    »Haben Sie sie gesehen?«
    »Gehört. Ich lag im Bett.«
    »Was haben Sie gehört?«
    »So einen Schuss, Schüsse.«
    »Was von beidem?«
    »Einen, wie ein Feuerwerkskörper, wie >paff paff<.«
    «Das sind zwei.«
    «Ja, nein, nur einer.«
    Gloria hörte, wie Kendra unter ihr an eine Tür klopfte, ein paar Silben loswurde.
    »Schön, Sie haben also den Schuss gehört, paff. Haben Sie aus dem Fenster gesehen?«
    »Nein, so was mache ich nicht.«
    «Haben Sie etwas gehört? Streit?«
    »So was mache ich auch nicht. Wenn ich etwas höre? Achte ich nicht drauf.«
    »Vielleicht hatten Sie gar keine Wahl. Vielleicht...«
    «Ich habe Streit gehört, vielleicht. Vielleicht habe ich es auch geträumt.«
    »Worum ging denn der Streit?«
    «In meinem Traum?«
    «Meinetwegen.«
    »Ich erinnere mich nicht an meine Träume.« Gloria betrachtete die Frau. »Sie wissen schon, dass hier noch ein paar üble Gestalten rumlaufen, die wir hier weg haben wollen.«
    «Gut.«
    »Die sehen Sie wahrscheinlich täglich, oder?«
    Die Frau zuckte die Schultern.
    »Von wem rede ich ...«
    Die Frau zuckte die Schultern.
    »Wer hat hier eine Waffe.«
    Sie neigte das Kinn zu Glorias Hüfte. »Sie.«
    Auf dem Weg hinunter hörte Gloria, wie eine weitere Mieterin von einem Streit auf der Straße erzählte. Als sie jedoch das Stockwerk erreichte, sah sie, dass sie nicht mit Kendra sprach, sondern mit einem Reporter.
     
    Um Viertel vor sechs stand Bobby Oh mit Nikki Williams, der Freundin des Rotschopfs, gegenüber dem nach wie vor geschäftigen Tatort.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben, es ist, das ist das Leben. Ich meine, da braucht man doch nur auf der falschen Straßenseite zu laufen ...« Die große, schlanke junge Frau zitterte mit starrem Blick.
    »Nikki...«
    »Das war wie nichts. Als hätte Gott mit den Fingern geschnippt.«
    «Nikki« - Bobby winkte kurz - »Sie müssen mir erzählen, was Sie gesehen haben.«
    »Es gibt eine berühmte Stelle in einem Gedicht, >Die Welt wird nicht mit einem Knall untergehen, sondern mit einem Wimmern.<«
    »>Auf diese Weise endet die Welt: Nicht mit einem Knall, sondern mit einem Wimmern.<"
    Nikki sah ihn mit blankem Erstaunen an.
    »Und jetzt, bitte, die Zeit läuft uns davon, erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.«
    Sie atmete tief ein, legte mit einem Schaudern die flache Hand aufs Herz und folgte dem Flugbogen einer Taube,

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