Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
jemanden wie mich. Mich hat man beraubt, hungern lassen, geschlagen, verbrannt, gedemütigt und beschämt, aber immer noch finde ich, daß sich das Leben lohnt. Und unter keinen Umständen würde ich es aufgeben. Dasselbe werde ich auch ihm beibringen.«
»Jaah«, antwortete er bedächtig, »vermutlich tätest du ihm gut und hast das ja auch bereits getan. Denn nie vorher habe ich ihn so erlebt. Bis du fortgingst und ihn verlassen hast. Vorher machte er einen stabilen und zufriedenen Eindruck. Dafür danke ich dir. Aber wie dem auch sei, du kannst ihn nicht heiraten, Heaven, ich kann es nicht erlauben.«
Das war es also, was ich befürchtet hatte!
»Du sagtest, du würdest mich gern haben!« Erneut schrie ich bestürzt auf. »Was hast du herausgefunden? Wenn du an den Casteelschen Teil in mir denkst, mußt du dir auch ins Gedächtnis rufen, daß ich VanVoreen-Gene besitze!«
Seine Augen waren voll Mitleid, er wirkte ein wenig gealtert, wie er so dasaß und mich so bedauernd anschaute. »Wie reizend du in deinem tragischen Zorn bist, wunderschön und anrührend. Ich kann begreifen, warum dich Troy liebt und haben möchte. Ihr beide habt so viel gemeinsam, auch wenn du die Verbindung nicht kennst. Ich will sie dir auch gar nicht verraten. Sag mir nur, daß du zu ihm gehen und so behutsam wie möglich deine Verlobung lösen wirst, alles mit Rücksicht auf seine Gefühle. Natürlich kannst du nicht weiterhin so leicht erreichbar hier leben, aber ich werde mich um dein finanzielles Wohlergehen kümmern. Ich verspreche dir, du wirst nie etwas vermissen.«
»Du möchtest, daß ich meine Verlobung mit Troy löse?« Ungläubig wiederholte ich den Satz. »Du und deine große Sorge um sein Wohlergehen! Bist du dir denn nicht bewußt, daß er eine Enttäuschung durch mich am wenigsten auf der Welt gebrauchen kann? Er hat das Gefühl, die einzige Frau auf der Welt gefunden zu haben, die ihn begreifen kann! Die einzige, die bei ihm bleiben und ihn bis zu seinem Todestag lieben wird!«
Er erhob sich, sah sich um, weigerte sich aber, mir in die Augen zu schauen. »Ich versuche nur, was ich für das Beste halte.« Seine Ruhe unterstrich nur noch die Leidenschaft, die ich an den Tag gelegt hatte. »Troy ist mein einziger Erbe, die Tatterton Toy Company wird bei meinem Tod in seine Hand oder in die Kontrolle seines Sohnes übergehen. Dreihundertfünfzig Jahre war es so, vom Vater auf den Sohn, oder vom Bruder auf den Bruder… Und so muß es auch sein. Troy muß heiraten und einen Sohn zeugen – denn ich habe eine Frau, die zu alt ist, um Kinder zu gebären.«
»Körperlich fehlt mir nichts, ich kann Kinder bekommen! Troy und ich haben bereits darüber gesprochen und uns auf zwei geeinigt!«
Er schaute noch abwesender drein, stand auf und lehnte sich schwer an seinen Schreibtisch. »Ich hatte gehofft, mir einige Verlegenheit sparen zu können, hatte gebetet, du würdest dich höflich zurückziehen. Jetzt merke ich, daß das nicht geht, aber trotzdem starte ich noch einen Versuch. Du mußt es mir glauben, wenn ich sage, du kannst Troy nicht heiraten. Warum gibst du dich denn nicht damit zufrieden?«
»Wie könnte ich denn? Nenn mir einen einzigen, triftigen Grund, warum ich ihn nicht heiraten kann! Ich bin achtzehn und volljährig, niemand kann mich daran hindern.«
Schwerfällig setzte er sich wieder hin. Er schob seinen Stuhl vom Schreibtisch weg, schlug die Beine übereinander und pendelte mit dem Fuß hin und her. Nicht um alles konnte ich begreifen, wieso ich noch immer seine glänzenden Schuhe und die dunklen Socken, die er trug, bewundern konnte. Seine Stimme klang anders, als er wieder anfing zu reden. »Dein Alter ist schuld daran. Ich hielt dich eben für jünger als du in Wirklichkeit warst. Während du fort warst, erwähnte Troy eines Tages dein wahres Alter. Aber bis zu dem Moment hatte ich keinen Schimmer davon, kein einziges Mal kam mir ein argwöhnischer Gedanke. Wenn ich dich anschaute, warst du ganz wie Leigh, bis auf deine Haare. Wenn du glücklich bist und dich in deiner Umgebung wohlfühlst, verhältst du dich sehr ähnlich wie sie. Aber es gibt auch Gelegenheiten, bei denen du mich an jemand ganz anderen erinnerst.« Wieder starrte er auf meine Haare, die den Sommer über hellere Streifen mit rötlichen Reflexen bekommen hatten. »Hast du je eine Kurzhaarfrisur getragen?« Seine Frage kam ohne jeden Zusammenhang.
»Was hat das denn damit zu tun?« schrie ich ihn an.
»Vermutlich verlieren deine Haare
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