Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
möchte dran glauben, weil er überzeugt ist, daß Träume oft im voraus die Wahrheit erzählen. Aber ich wehre mich, an seinen Traum vom Tod in jungen Jahren zu glauben.«
»Hat er dir denn erzählt… wie lange er, seiner Meinung nach, leben wird?« Seine Stimme klang beunruhigt, als ob ihn ein kleiner Junge, der in der Nacht geweint hatte, teilweise überzeugt hätte – wider besseres Wissen.
»Wenn Troy und ich verheiratet sind und die einsamen, dunklen Nächte in seinem Leben ein Ende haben, dann wird er das Sterben völlig vergessen. Ich werde ihn genau beobachten und dabei lernen, was ihm Vergnügen macht. Ich möchte ihn zum Mittelpunkt meines Lebens machen. Denn dann kann er sich von seinen Ängsten lösen, daß sich nie jemand genug um ihn kümmern wird, um auch bei ihm zu bleiben. Die Furcht vor einem neuen Verlust ist nämlich der tiefe Grund für seine Ängste.«
Endlich schaltete er seine Schreibtischlampe ein. Blau flammten seine Augen auf, so tiefblau, wie ich sie noch nie gesehen hatte. »Glaubst du denn, ich hätte nicht mein Bestes für Troy getan, glaubst du das wirklich? Ich war erst zwanzig, als ich mich Hals über Kopf in eine Ehe stürzte, nur um Troy eine Mutter zu geben. Und zwar eine wirkliche Mutter, nicht nur irgendein blutjunges Mädchen, das mit den Bedürfnissen eines kleinen Jungen, der zerbrechlich und oft ernstlich krank war, nicht belästigt werden wollte. Und dann gab es noch Leigh, die seine Schwester werde sollte. Ich versuchte mein Bestes.«
»Vielleicht hast du ihm bei den Erklärungen über den Tod seiner Mutter das Paradies besser als alles geschildert, was er im Leben finden konnte.«
»Du könntest teilweise recht haben.« In seiner Antwort schwang Trauer mit. Dann zuckte er mit den Schultern, lehnte sich zurück und sah sich suchend nach einem Aschenbecher um. Als er keinen finden konnte, steckte er sein funkelndes Zigarettenetui in die Tasche zurück, nie vorher hatte ich ihn zu einer Zigarette greifen sehen. »Dasselbe habe ich mir auch überlegt – aber was hätte ich mit einem Kind tun sollen, das sich in seine Trauer vergrub und sie nicht loslassen wollte? Nach meiner Heirat mit Jillian klammerte sich Troy an Leigh. Deshalb weinte er, als sie aus diesem Haus fortlief, denn er machte sich Vorwürfe, er sei der Grund dafür. Nachdem sie gegangen war, blieb er drei Monate lang ans Bett gefesselt. Sobald er nachts aufschrie, ging ich zu ihm und erzählte ihm, daß sie eines Tages zurückkommen würde. Daran klammerte er sich wie ein Blutegel. Vermutlich fing er an, sich die Zeit, in der sie wieder nach Hause kommen würde, in Tagträumen auszumalen. Sie war ja nur neun Jahre älter gewesen, also nicht zu alt, um sie so zu lieben, wie er sie lieben wollte… Bis zum Anruf deines Vaters hat Troy so die ganzen Jahre auf seine Gelegenheit gewartet. Er hat darauf gewartet, daß deine Mutter zurückkehrt und die Frau wäre, die er offensichtlich sonst nirgends finden konnte. Und dann tauchtest du auf, nicht Leigh.«
Ich war wie vom Donner gerührt. Jetzt war ich an der Reihe, zusammenzusacken und blaß zu werden! »Versuchst du mir einzureden, ich sei nur ein Ersatz für meine eigene Mutter?« Mit wachsender Hysterie schrie ich das heraus: »Troy liebt mich, wie ich bin, das weiß ich! Mit drei, vier oder fünf Jahren kann sich ein kleiner Junge unmöglich verlieben und es dann auch noch siebzehn Jahre lang bleiben! Diese Vorstellung ist doch wirklich zu lächerlich!«
»Vermutlich hast du recht.« Seine Augen verengten sich, dann seufzte er und griff schon wieder nach demselben Zigarettenetui. Wieder sah er sich abwesend nach seinem Aschenbecher um. »Es kam mir nur in den Sinn, daß Troy Leigh auf einen Sockel gestellt und alle anderen Frauen mit ihr verglichen hat. Offenbar bist du die einzige, die sich damit messen kann.«
Mein Gesicht wurde heiß und rot, meine Hände klammerten sich um meinen Hals. »Du redest Unsinn. Jawohl, Troy hat meine Mutter geliebt, er hat es mir erzählt. Aber nicht so, wie ein Mann eine Frau liebt. Er liebte sie wie ein einsamer, hilfsbedürftiger kleiner Junge, der jemanden ganz für sich allein haben wollte. Ich bin froh, daß ich diejenige bin; ich werde Troy eine gute Frau sein.« Ich strengte mich sehr an, den bittenden Ton aus meiner Stimme zu verbannen, aber trotzdem bettelte ich. »Er braucht jemanden, der nicht in einer kultivierten Auster gelebt und alles besessen hat, aber trotzdem keine Freude empfinden kann. Er braucht
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