Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Berge, Kälte und Hunger sie töten konnten!«
Als ich ihm gegen die Schienbeine trat, ließ er meine Hand los und wich zurück. Aber wieder stürzte ich mich auf ihn und versuchte nochmals, ihm das Gesicht zu zerkratzen. »Ich hasse dich! Du hast sie umgebracht! Du hast sie von hier fort und in eine zweite Hölle getrieben!«
Mühelos packte er meine Fäuste und hielt mich von sich weg. Sein zynisches Lächeln wurde noch ironischer. »Nach dem ersten Mal ist sie nicht weggelaufen, auch nicht beim zweiten oder dritten Mal. Schau mal, deine Mutter fand Spaß an unseren verbotenen Liebesspielen. Sie waren erregend und aufwühlend, für sie genauso wie für mich. Sie kam zu mir, stand wartend im Türrahmen, und wenn ich näher kam, fing sie zu zittern an; manchmal liefen ihr auch Tränen über die Wangen. Bei meiner Berührung wehrte sie sich und schrie, obwohl sie wußte, keiner konnte ihre Schreie hören. Aber sie war eben ein Kind mit zwei Gesichtern unter ihrem engelsgleichen Liebreiz. Und so machte sie eben doch mit.«
Diesmal traf ich ihn mit der flachen Hand ins Gesicht! Mein Schlag hinterließ einen roten Fleck, ich krümmte die Finger und versuchte, ihm die Augen auszukratzen. »Hör auf damit!« befahl er und stieß mich weg, so daß ich rückwärts taumelte. »Ich hab’s doch nicht gewollt. Es war nie meine Absicht, dir davon zu erzählen. Ich habe die Monate nicht gezählt, bis ich dein Geburtsdatum erfuhr. Erst jetzt tat ich’s: Am achtzehnten Juni ist Leigh aus diesem Haus fortgelaufen und du kamst am zweiundzwanzigsten Februar auf die Welt. Das macht acht Monate. Sie hatte wenigstens zwei Monate lang immer wieder mit mir geschlafen, also muß ich annehmen, daß du ziemlich sicher meine Tochter bist.«
Ich hörte auf, mit meinen Armen sinnlos auf ihn einzudreschen. Alles Blut wich aus meinem Gesicht, hinter meinen Ohren fing es zu kribbeln an, und die Knie wurden mir weich. »Ich glaube dir nicht«, sagte ich gebrochen. Ich fühlte mich wie grün und blau geschlagen. »Das kann nicht wahr sein, ich bin nicht Troys Nichte, ich kann es nicht sein!«
»Es tut mir leid, Heaven, unendlich leid, denn du wärest perfekt gewesen, die einzige, die ihn vor sich selbst hätte retten können. Aber ich bin heute abend hier gesessen und habe von dir die Geschichte gehört, wie Leigh Luke Casteel begegnet ist. Ich habe auch den Tag ihrer Hochzeit erfahren, und demnach ist es unmöglich, daß du Luke Casteels Tochter bist – es sei denn, du wärest eine Frühgeburt. Hat deine Granny je etwas davon erwähnt?«
Ich fuhr zurück und schüttelte benommen den Kopf. Ich war also nicht Pas Tochter. Pa, ein lumpiger Casteel.
»Du hast behauptet, dein Vater hätte dich vom Tag deiner Geburt an gehaßt. Es ist gut möglich, daß Leigh deinem Vater vor der Hochzeit von ihrer Schwangerschaft erzählt hat. Sie war der Typ dazu. Ich jedenfalls bin mir inzwischen sicher, wer du bist, Heaven, es liegt an deinen Haaren und deinen Händen. Dein Haar hat dieselbe Farbe und Struktur wie das von Troy, und auch deine Hände haben dieselbe Form, genau wie meine. Wir haben beide die Tatterton-Finger.« Er spreizte die Hand und zeigte mir seine langen, schmal zulaufenden Finger. Dann blickte ich auf meine hinunter. Es waren dieselben Hände, die ich mein ganzes Leben gesehen hatte, schmal, mit langen Fingern, langen, ovalen Nägeln – und die Hälfte aller Frauen auf der Welt hatte meine Haarfarbe, also nichts Außergewöhnliches. Dabei hatte ich immer geglaubt, Grannys Hände hätten wie meine ausgesehen, wenn sie nicht den größten Teil ihres Lebens damit Dienstbotenarbeiten verrichtet hätte.
Ich war wie betäubt, alles tat mir weh, und obendrein war mir zum Speien übel. In diesem Zustand drehte ich mich um und ging aus seinem Büro. Dann stolperte ich die Stufen hinauf in mein Zimmer und warf mich auf mein Bett. Ich weinte. Ohne anzuklopfen kam Tony langsam in mein Schlafzimmer und setzte sich auf den Bettrand, ganz ans Fußende. Diesmal klang er sanft und freundlich. »Mach’s doch nicht so schwer, Liebling. Es tut mir so leid, daß ich deine Romanze mit meinem Bruder zerstöre, obwohl ich begeistert bin, dich zur Tochter zu haben. Du wirst schon sehen, alles wird sich finden. Daß ich dich schockiert und verletzt habe, ist mir bewußt. Zu allem übrigen habe ich dir auch noch erzählt, ich hätte deine Mutter nicht geliebt. Sie war nur ein Kind, aber trotzdem kann ich sie noch immer nicht vergessen. Auf meine Art habe ich
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