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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Aschenputtel geschaffen hätte. Ich brauchte Zeit, mich an Dienerschaft zu gewöhnen, Zeit, um mich in einem Haus zurechtzufinden, dessen Konstruktion fast so kompliziert war wie das Labyrinth draußen. Ich mochte nicht, wenn Percy mein Bad einließ und meine Kleider herauslegte, so daß mir keine Wahl mehr blieb. Ich konnte den Befehl nicht ausstehen, der klar besagte, daß ich die Telefone nicht benutzen durfte, um irgend jemanden aus meiner Familie anzurufen.
    »Nein«, antwortete er ablehnend und sah von seiner intensiven Beschäftigung mit der Börsenseite auf, »du mußt dich nicht noch einmal von Tom verabschieden. Du hast mir erzählt, daß du’s bereits getan hast.«
    Jillian schlief den Vormittag hindurch und verbrachte dann einige weitere Stunden hinter verschlossenen Türen mit ihren »geheimen Schönheitsritualen«. Inzwischen fuhr mich Tony in kleine Boutiquen, wo Kleidung und Schuhe ein Vermögen kosteten. Kein einziges Mal fragte er nach dem Preis von Pullovern, Röcken, Kleidern, Mänteln, Stiefeln oder nach sonst etwas! Er unterschrieb Rechnungen so selbstverständlich wie einer, dem nie das Geld ausgehen würde. »Nein«, sagte er, als ich flüsterte, es wäre hübsch, passende bunte Schuhe zu allem zu haben.
    »Schwarze, braune, beige, blaue und ein paar grau-rote Schuhe sind genug Farben, bis du weiße Sommerschuhe brauchst. Ich werde einige deiner Wünsche nicht erfüllen. Niemand sollte sich jeden Traum auf einmal erfüllen. Du weißt, wir leben von Träumen, und wenn keine mehr da sind, sterben wir bald.«
    Seine hellblauen Augen verdunkelten sich. »Einmal habe ich den Fehler begangen, zu vieles zu schnell zu geben, indem ich nichts zurückbehielt. Diesmal nicht.«
    Am frühen Abend fuhren wir nach Hause, mit einem Rücksitz voller Pakete, genug Kleidung für drei Mädchen. Er schien nicht zu merken, daß er bereits zu viel und zu schnell gegeben hatte. Mein ganzes Leben hatte ich von wunderschöner, teurer Kleidung geträumt, und jetzt war ich überwältigt, und trotzdem hatte er keine Ahnung, daß ich genug hatte. Aber er verglich ja auch meine Kleiderschränke mit denen von Jillian.
    Jillians Art, mich entweder völlig zu ignorieren oder enthusiastisch zu beturteln, tat oft sehr weh. In ihrer Gegenwart fühlte ich mich nie wohl, und oft hatte ich den Eindruck, sie wünschte, ich wäre nicht aufgetaucht. Einmal bemerkte ich, wie sie ruhig auf ihrer Schlafzimmercouch saß und eines ihrer ewigen Solitär-Spiele spielte. Von Zeit zu Zeit sah sie in meine Richtung: »Spielst du Karten, Heaven?«
    Begeistert nahm ich die Aufforderung an und war glücklich, daß sie die Zeit mit mir verbringen wollte. »Ja, vor langer Zeit hat mir ein Freund Gin-Rommé beigebracht.« Dieser Freund hatte mir auch ein nagelneues Päckchen Karten geschenkt, das er aus dem Laden seines Vaters »geborgt« hatte.
    »Gin-Rommé?« fragte sie merkwürdig, als ob sie nie von diesem Spiel gehört hätte. »Das ist das einzige, was du spielst?«
    »Ich lerne rasch!«
    Noch am selben Tag zeigte sie mir, wie man Bridge spielt, ihr Lieblingsspiel. Sie erklärte den Wert der Trumpfkarten, gab mir ausführliche Anweisungen, wie viele Punkte für eine Eröffnung nötig waren und wie viele, um auf das erste Gebot des Spielpartners zu antworten. Es dauerte nicht lange, bis ich begriff, ich würde ein Buch über Bridge kaufen und es für mich durcharbeiten müssen, denn Jillian ging viel zu schnell voran. Aber sie hatte Spaß daran, mich zu unterrichten, und eine ganze Woche lang freute sie sich jedesmal, wenn ich verlor. Dann kam jener denkwürdige Tag, an dem wir hinter unserem kleinen, computergesteuerten Spieltisch saßen, der mit einem, zwei oder drei Spielern spielen konnte (sogar mit gar keinem – dann spielte er mit sich selbst). Und zu Jillians großem Verdruß gewann ich. »Oh, du hattest nur Glück!« platzte sie heraus, worauf sie mit beiden Händen ihre Wangen zusammenpreßte. »Nach dem Mittagessen werden wir noch ein Spiel machen und sehen, wer dann gewinnt.«
    Jillian fing an, mich zu brauchen, zu wollen, zu mögen. Es war das erste Mal, daß ich mit Jillian irgendeine andere Mahlzeit außer dem Abendessen einnahm, das stets im Speisezimmer serviert wurde. Hier war eine der reichsten Frauen in der Welt und sicher eine der schönsten – und sie aß zu Mittag kleine Sandwiches mit Gurken und Wasserkresse belegt und nippte Champagner dazu.
    »Jillian, das ist aber kein gesundes, nahrhaftes Mittagessen, geschweige,

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