Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
daß es satt macht!« platzte ich nach unserem dritten gemeinsamen Mittagessen heraus. »Ehrlich, sogar nach sechs Stück von deinen kleinen Sandwiches habe ich immer noch Hunger. Und aus Champagner mache ich mir wirklich nichts.«
Wie erbittert gingen ihre zierlichen Augenbrauen nach oben. »Wenn Tony und du zusammen Mittagessen geht, was eßt ihr beide dann?«
»Ach, ich kann alles aus der Speisekarte auswählen. Er ermuntert mich sogar noch, Gerichte zu nehmen, die ich noch nie zuvor probiert habe.«
»Er verzieht dich genauso, wie er Leigh verzogen hat.« Lange Augenblicke saß sie da, senkte den Kopf über ihr winziges Essen und dann winkte sie, wie zur Entlassung, mit der Hand. »Wenn es etwas gibt, das ich absolut nicht ausstehen kann, dann ist’s, ein junges Mädchen zu beobachten, das heißhungrig ißt. Weißt du übrigens, Heaven, daß du nur so essen kannst? Bis du dein Bedürfnis nach so viel Essen unter Kontrolle hast, halte ich es für das Beste, wenn du und ich nicht mehr zusammen Mittag essen. Und wenn wir im Speisezimmer sind, werde ich mich bemühen, deine Eßgewohnheiten so wenig wie möglich zu beachten.«
Jetzt war ich ständig hungrig und fing an, mich in die riesige Küche zu stehlen, wo mich Ryse Williams, der dicke schwarze Koch, in seinem Reich willkommen hieß.
»Also, Mädchen, du siehst genau wie deine Mutter aus, heiliger Jesus, ich habe nie ein Mädchen gesehen, das seiner Mutter so sehr ähnelt – obwohl deine Haare schwarz sind.«
In dieser glänzenden Küche mit Kupferpfannen und Tausenden von Küchengeräten, die ich nie zuvor gesehen hatte, verbrachte ich viele Stunden und lauschte Rye Whiskey und seinen Geschichten über die Tattertons. Aber obwohl ich ihn oft zu zwingen versuchte, über meine Mutter zu sprechen, wirkte er dann immer ungehalten und beschäftigte sich auf meine Fragen hin mit seinem Kochen. Sein glattes braunes Gesicht wurde ausdruckslos und sehr schnell wechselte er das Thema. Aber eines Tages, eines nicht allzu fernen Tages, würde mir Rye Whiskey alles erzählen, was er wußte – denn aus seiner beschämten, verlegenen Miene entnahm ich schon jetzt, daß er eine Menge wußte.
In meinem eigenen Schlafzimmer schrieb ich, um Tom alles davon zu erzählen. Bis jetzt hatte ich ihm drei Briefe geschrieben und hatte ihn gewarnt, nicht zu antworten, bis ich ihm eine »sichere« Adresse schicken konnte. (Die Vorstellung, was er davon denken mochte, tat mir weh.) In diesen Briefen beschrieb ich Farthinggale Manor, Jillian und Tony, aber über Troy verlor ich kein Wort. Troy ging mir nicht aus dem Kopf, schwirrte mir dauernd im Kopf herum. Ich wollte ihn wiedersehen und hatte Angst davor. Tausend Fragen wollte ich Troy über seinen Bruder stellen, aber jedesmal sah Tony finster drein, wenn ich das Gespräch auf den Mann brachte, der in der Hütte hinter dem Labyrinth lebte. Zweimal versuchte ich, mit Jillian über Troy zu sprechen, die nur den Kopf wegdrehte, mit der Hand wedelte und somit das Thema beendete. »Ach, Troy! Er ist uninteressant, vergiß ihn. Er weiß zuviel von allem übrigen, um Frauen zu schätzen.« Während ich aber intensiv über Troy nachdachte, fand ich, es wäre Zeit, den schwierigsten Brief zu schreiben. Einen Brief an denjenigen, der tatsächlich zu meiner Zukunft gehören würde, einen Brief, um herauszufinden, ob er mich an seiner Zukunft wieder teilnehmen lassen würde.
Wie aber konnte ich jemandem schreiben, der mich einmal geliebt und mir vertraut hatte, aber jetzt nicht mehr? Sollte ich die Dinge, die unsere Beziehung beendet hatten, einfach ignorieren? Sollte ich offen darüber sprechen? Nein, nein, beschloß ich. Erst mußte ich Logan sehen und seine Reaktion beobachten, ehe ich über Cal Dennison ausführlicher sprach. Schließlich brachte ich ein paar Sätze heraus, die gar nicht zu passen schienen:
Lieber Logan,
endlich lebe ich bei der Familie meiner Mutter, wie ich es immer gehofft hatte. Bald werde ich ein privates Mädcheninternat besuchen. Es heißt Winterhaven. Wenn du noch irgendwelche Gefühle für mich übrig hast – ich hoffe und bete, daß es so ist – , dann versuch bitte, mir zu vergeben. Und vielleicht können wir von vorne anfangen.
Herzlich, Heaven.
Meine Antwortadresse war das Postschließfach, das ich gestern heimlich eröffnet hatte. Tony kaufte inzwischen im Geschäft weiter unten Kleidung für sich selbst ein. Gedankenverloren kaute ich am Ende meines Füllers, bevor ich mit einem Stoßgebet das
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