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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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fünf Mädchen lebhaft schnatternd zusammen, so daß der Speisesaal von vielen glücklichen Stimmen hallte. Ich war das einzige Mädchen im Raum mit einer Rose auf dem Tisch. Und erst als ich das merkte, pickte ich von einem dünnen Draht eine kleine weiße Karte, auf der stand: »Herzliche Grüße, Tony.«
    Bis zum Freitag erschien jeden Tag eine rote Rose auf meinem Tisch, und jeden Tag übersahen die Mädchen meine Anwesenheit. Was machte ich bloß falsch, außer die falsche Kleidung zu tragen? Ich hatte keine Jeans, Hosen, alte Hemden oder Pullis mitgebracht. Tapfer versuchte ich die Mädchen, die in meine Richtung schauten, anzulächeln und ihre Augen zu fixieren. Jede drehte den Kopf weg, sobald sie meine Bemühungen bemerkte! Und dann vermutete ich, was vorging. Meine Überlegungen zum Hungerproblem in Amerika hatten mich verraten. Meine Begeisterung für dieses Thema hatte ihnen mehr erzählt, als meine Zunge je konnte. Zu gut war ich informiert. Zu viele Nächte war ich in einer Berghütte wachgelegen und versuchte, Antworten zu finden, die alle Armen davor bewahren konnten, in dieselbe verzweifelte Situation wie ihre Vorfahren zu geraten. Für meine Arbeit über Armut in Amerika hatte ich die Note A-minus bekommen – ein ausgezeichneter Start. Aber ich hatte mich selbst betrogen. Jetzt kannte jeder meinen Hintergrund, denn anders hätte ich nicht so gut Bescheid wissen können. Tausendmal wünschte ich mir, nicht so wahrheitsgetreu gewesen zu sein und zu einer ähnlichen Lösung wie eines der anderen Mädchen gekommen zu sein. Ihr Vorschlag: »Jeder Reiche sollte wenigstens ein armes Kind adoptieren.«
    Allein lag ich rücklings in meinem hübschen Zimmer auf meinem schmalen Bett. Ich hörte das Lachen und Kichern aus den anderen Zimmern, roch getoastetes Brot und geschmolzenen Käse. Ich hörte das Klirren von Gläsern und Silber und das falsche Gelächter in den Fernsehkomödien. Kein einziges Mal klopfte irgendein Mädchen an meine geschlossene Tür, um mich zu einer verbotenen Party einzuladen. Kein einziges Mal beendeten erboste Lehrer, die keinen Verstoß gegen ihre Vorschriften duldeten, diese Partys. Aus den wilden Storys hörte ich heraus, daß jedes dieser Mädchen intensiv durch die Welt gereist war, daß sie schon von Städten genug hatten, die ich erst kennenlernen mußte. Drei Mädchen waren wegen Liebesaffären aus Schweizer Privatschulen geflogen, zwei von anderen amerikanischen Schulen wegen Alkohol, zwei weitere wegen Drogenmißbrauch. Alle Mädchen konnten schlimmer als ein besoffener Hillbilly auf dem Tanzboden fluchen und geradewegs durch die Wände wurde ich äußerst differenziert in Sexdingen aufgeklärt – zehnmal schlimmer als alles, was Fanny je angestellt hatte.
    Eines Tages, als ich im Badezimmer unter der einzigen Dusche mit einer verschließbaren Türe war, hörte ich, wie sie sich über mich unterhielten. Sie wollten mich nicht in »ihrer« Schule, ich gehörte nicht zu »ihrer« Klasse. »Sie ist nicht, wer sie vorgibt«, flüsterte eine Stimme, die ich als die von Faith Morgantile zu identifizieren gelernt hatte.
    Ich gab nicht vor, etwas anderes als ein Mädchen zu sein, das nach einer Ausbildung suchte. Und das nahm man mir übel. Ich hoffte nur, daß ich alle Schikanen unversehrt mit meinem Stolz und meiner Würde bestehen würde.
    Also blieb ich auch hier in Winterhaven, was ich immer gewesen war, trotz meiner VanVoreen Vorfahren, meiner Verbindung zu den Tattertons. Trotz meiner feinen Kleidung, meines modischen Haarschnitts, meiner hübschen Schuhe und der guten Noten, an denen ich so hart arbeitete. Ich war ein Außenseiter, verachtet für das, was ich war. Und das schlimmste war, daß ich gleich am Anfang mich selbst betrogen hatte – und Tony.

 
    6. K APITEL
     
    D IE Z EITEN ÄNDERN SICH
     
     
     
    Tony war es, der kam, um mich am ersten Freitag abzuholen. Mit fünfzehn Mädchen, die sich um mich drängten und ihm zuliebe die Freundlichen spielten, stand ich auf der Vordertreppe von Winterhaven. Sie beobachteten ihn beim Einparken, riefen oh und ah, sperrten den Mund auf, flüsterten und wunderten sich wieder, wo denn Troy bliebe. »Wann lädst du uns denn nach Hause ein, Heaven?« fragte Prudence Carraway, die jeder Pru rief. »Wir haben gehört wie super-toll es ist, absolut toll, toll, toll.«
    Noch ehe Tony aus dem Wagen heraus war und die Türe öffnete, war ich schon auf der Flucht vor diesen Mädchen die Stufen hinunter. »Bis Montag, Heaven!«

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