Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
mehr, weil dich Logan Stonewall nicht erkannt hat. Seine Gedanken waren wahrscheinlich woanders. Gib ihm eine zweite Chance, ruf ihn in seinem Studentenwohnheim an. Schlage ihm vor, ihn irgendwo zu treffen, wo ihr reden könnt.«
Troy hatte keine Ahnung von Logans Starrsinn. Logan war, wie sein Nachname, eine Steinmauer!
»Gute Nacht, Troy«, rief ich an der Tür, »und danke für alles. Ich freue mich auf nächsten Freitag!«
Leise schloß ich die Tür hinter mir.
7. K APITEL
L OGAN
In der zweiten Woche verhielten sich die Mädchen von Winterhaven nicht mehr so distanziert. Keck musterten sie mich von oben bis unten und starrten auf mein hübsches Strickkleid. Als ich mich am Montag zum Mittagessen an meinen Tisch setzte, lächelte Pru Carraway zu meiner Freude in meine Richtung und lud mich ein, an ihrem Tisch zu essen. Noch drei andere Mädchen saßen hier. Glücklich sammelte ich Besteck, Teller und Serviette ein und trug sie hinüber. »Danke schön«, sagte ich und setzte mich hin.
»Was für ein hübsches pinkfarbenes Kleid«, meinte Pru, die mit ihren blassen Wimpern klimperte.
»Danke, die Farbe heißt mauve.«
»Was für ein hübsches mauvefarbenes Kleid«, verbesserte sie sich unter dem Gekicher der drei anderen. »Ich sehe ein, wir waren nicht sehr nett zu dir, Heaven«, – wieder dehnte sie meinen Namen –, »aber wir sind zu keiner neuen Schülerin nett, bis wir nicht sicher sind, daß sie unsere Billigung verdient.«
Was hatte ich getan, um ihre Zustimmung zu erlangen? wunderte ich mich.
»Wieso weißt du so gut Bescheid über Armut und Hunger?« fragte Faith Morgantile, ein sehr hübsches, braunhaariges Mädchen in einem sauberen, aber abgeschabten weißen Pulli und Hosen.
Einen Moment lang setzte mein Herz aus. »Ihr wißt alle, daß ich aus West Virginia komme. Das ist ein Kohlerevier. Dort gibt es auch eine Baumwollmühle. Die Berge stecken voll armer Leute, die eine Ausbildung für Zeitverschwendung halten. Also weiß ich ganz selbstverständlich über die Leute Bescheid, die um mich herum lebten.«
»Aber du hast die Hungerqualen in deinem Aufsatz so plastisch beschrieben«, beharrte Pru, »daß es fast so wirkt, als würdest du Hunger aus eigener Erfahrung kennen.«
»Wenn man Augen, Ohren und ein mitfühlendes Herz hat, braucht man keine eigene Erfahrung.«
»Wie schön du das gesagt hast«, meinte ein anderes Mädchen und lächelte mich warm an. »Wir haben gehört, daß deine Eltern geschieden sind und dein Vater das Sorgerecht für dich erhielt… Ist das nicht ungewöhnlich? Meistens erhält doch die Mutter das Sorgerecht, besonders wenn es sich um ein Mädchen handelt.«
Gleichgültig versuchte ich mit den Schultern zu zucken. »Ich war noch zu jung, um mich an Einzelheiten der Scheidung zu erinnern. Als ich dann älter war, weigerte sich mein Vater, darüber zu sprechen.« Ich beendete das Gespräch, indem ich meine Gabel in den gemischten Salat steckte und Tomaten und grünen Salat, die ich am liebsten mochte, aufspießte.
»Wann wird dich dein Vater denn besuchen kommen? Wir würden ihn gerne kennenlernen.«
»Mein Vater wird nicht zu Besuch kommen, denn wir mögen uns nicht. Außerdem liegt er im Sterben.«
Die vier Mädchen starrten mich mit offenen Mündern an, als wäre ich eine Erscheinung. Sobald ich die Worte ausgesprochen hatte, erfüllte mich der Gedanke an den sterbenden Pa mit seltsam ungemütlichen Schuldgefühlen, als ob ich kein Recht hätte, ihn zu hassen oder ihm den Tod zu wünschen, weil er doch mein Vater war. Ich hatte keinen Grund, mich zu schämen, keinen einzigen! Jeden schlechten Gedanken, den ich ihm widmete, verdiente er.
Vorsichtig sprach Pru Carraway weiter: »In dieser Schule haben wir gewisse Privatclubs. Also, wenn du es irgendwie arrangieren könntest, daß eine von uns ein Rendezvous mit Troy Tatterton hat… wir würden das sehr zu schätzen wissen.«
Ich war in Gedanken noch bei Pa und nicht auf der Hut. Ich saß da, das letzte Stück von meinem Brot halb aufgegessen, und antwortete unbehaglich: »So etwas kann ich auf keinen Fall drehen. Er ist ein Mann mit einem eigenen Kopf und viel zu alt und gebildet für die Mädchen von Winterhaven.«
»Troy Tatterton wurde vor zwei Wochen erst dreiundzwanzig«, fing Faith Morgantile an. »Einige Schülerinnen hier sind achtzehn und für einen Mann seines Alters genau richtig. Außerdem haben wir dich mit ihm am Sonntag gesehen, und du bist erst sechzehn.«
Es
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