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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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verdutzte mich, daß ich in einer Großstadt wie Boston mit Troy erkannt worden war. Das also war’s! Der Grund für ihr plötzliches Interesse an mir! Sie oder einer ihrer Freunde hatten mich im Café mit Troy gesehen. Ich stand auf und ließ meine Serviette auf den Tisch fallen. »Danke für die Einladung an euren Tisch«, sagte ich. Es schmerzte mich, denn ich hatte so darauf gehofft, hier Freunde zu haben. Mein ganzes Leben hatte ich nie eine Freundin gehabt, von Fanny abgesehen. Von meinem eigenen Tisch nahm ich die Bücher, die ich dort zurückgelassen hatte und marschierte aus dem Speisesaal.
    Von diesem Augenblick an spürte ich, daß sich die Einstellung der Mädchen verändert hatte. Zuvor hatten sie mich nur beargwöhnt, weil ich neu und anders war. Jetzt hatte ich sie herausgefordert und sie mir sinnlos zu Feinden gemacht.
    Am nächsten Morgen nahm ich aus meiner Kommode einen wunderschönen kornblumenblauen Kaschmir-Pullover und den dazu passenden Rock. Zu meinem absoluten Entsetzen mußte ich feststellen, daß sich der nagelneue Pulli aufzulösen begann, und an dem Wollrock, den ich auf mein Bett gelegt hatte, hing der Saum herunter! Außerdem hatte jemand sehr sorgfältig die Stiche der vorderen Kellerfalte aufgetrennt. In den Willies hätte ich Pulli und Rock trotzdem getragen, aber hier nicht, nicht hier! Nicht wenn ich wußte, daß Pulli und Rock gestern noch vollkommen in Ordnung gewesen waren! Einen Pulli nach dem anderen nahm ich aus der Kommode und schaute sie an. Fünf meiner Pullis waren ruiniert! Ich rannte zum Schrank, um Hemden und Blusen zu prüfen und fand sie unbeschädigt. Wer auch immer es getan hatte, er hatte nicht genug Zeit gehabt, um meinen ganzen Besitz zu ruinieren.
    An diesem Dienstag morgen hatte ich keine Zeit fürs Frühstück. Zum Unterricht ging ich nur mit Rock und Bluse, ohne Pulli. Kein Mädchen zog zum Unterricht etwas über, weil Gedanken an Erkältung oder Frösteln verachtet wurden, obwohl die meisten von ihnen mit verschränkten Armen dasaßen und ab und zu zitterten. Harte, puritanische Seelen regierten Winterhaven und achteten darauf, daß keine von uns mit zuviel Luxus in Berührung kam. Das Klassenzimmer war nicht wärmer als es die Berghütte im späten Oktober gewesen war. Den ganzen Morgen zitterte ich und dachte daran, mittags in mein Zimmer zu laufen und mir eine leichte Jacke zu holen.
    Mein Mittagessen verschlang ich so schnell, daß es mich fast würgte, dann raste ich nach oben in mein Zimmer; die Tür war nie verschlossen. Ich rannte zum Schrank, um eine der drei warmen Jacken, die Tony mir ausgesucht hatte, von der Stange zu nehmen – zwei Jacken fehlten, und die letzte war triefend naß! Was hofften sie zu erreichen, indem sie mein Eigentum zerstörten? Zitternd vor Kälte und Wut lief ich auf den Flur, die nasse Jacke vor mich her haltend. Ich stürmte in das Badezimmer. Sechs Mädchen waren drinnen, rauchten und kicherten. In dem Moment, als ich eintrat, wurde es totenstill, während die Zigaretten weiterbrannten und einen schrecklichen Qualm erzeugten. Mit beiden Händen hielt ich die Wolljacke hoch. »Mußtet ihr sie in heißes Wasser werfen?« fragte ich. »Reicht es nicht, daß ihr meine Pullis ruiniert habt? Was für Ungeheuer seid ihr eigentlich?«
    »Wovon redest du überhaupt?« fragte Pru Carraway mit ganz unschuldigen hellen Augen.
    »Meine neuen Pullis sind aufgetrennt!« schrie ich. Ich schüttelte das Wasser aus der Jacke, so daß ihnen etwas davon ins Gesicht spritzte. »Ihr habt zwei von meinen Jacken genommen und die dritte kaputt gemacht! Glaubt ihr denn, ihr werdet dafür ungestraft wegkommen?« Ich starrte – hoffentlich erbost genug – in jedes Augenpaar, das mich anstarrte. Die bloße Tatsache, daß ich und meine kläglichen Drohungen ihnen keine Angst einjagten, machte mich noch wütender. Ihr Selbstvertrauen nahm zu, während ich zögerte und nicht wußte, wie ich sie besiegen sollte.
    Ich drehte mich um und warf die tropfnasse Jacke in einen der beiden Wäscheschlucker. Eine sehr starke Feder verschloß krachend die schwere Eisentür. Bei zweihundert Mädchen, die täglich duschten oder badeten, wurden Hunderte von weißen Handtüchern gebraucht. Jeden Tag brachten die Zimmermädchen Stapel um Stapel von sauberen weißen Handtüchern herauf und legten sie ordentlich hinter die Glastüren der Wäscheschränke. Die Wäscheschlucker beförderten die nassen, verschmutzten Handtücher rasch in den Keller, wo sie in riesige

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