Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
sich meine Lippen folgsam. Die warme Flüssigkeit brannte auf dem Weg zu meinem Magen, ich fing an zu husten und setzte mich verblüfft von dem Geschmack des Getränks, das ich nie zuvor probiert hatte, auf.
»Das reicht jetzt«, meinte er, wobei er das Gläschen fortzog. Er lächelte, als ob ihn meine Reaktion auf einen winzigen Schluck amüsierte. »Ist nicht mit Gebirgsschnaps zu vergleichen, das wolltest du mir doch sagen?«
»Den habe ich nie probiert«, flüsterte ich rauh, »und ich möchte es auch nicht.« Pas kräftiges, brutales und gut aussehendes Gesicht schoß mir durch den Kopf. Eines Tages, eines Tages würden wir einander wieder begegnen, eines Tages, wenn ich ebenso grausam sein konnte, wie er es jetzt verstand.
»Du bleibst hier sitzen, döst ein bißchen und läßt mich das Abendessen herrichten. Dann kannst du mir ja verraten, was dich mit Tränen in den Augen hierhergebracht hat.«
Ich öffnete den Mund, aber er legte den Zeigefinger auf seine Lippen und ließ damit alles verstummen, was ich sagen wollte.
»Später.«
Ich sah zu, wie er das frische Brot schnitt und schnell die Sandwiches mit geschickten Händen vorbereitete, dieselben Hände, die seine ganze Hausarbeit mühelos und erfreulich wirken ließ.
Über meinen Schoß legte er ein Tablett und darauf ein mit einer Serviette bedecktes Silbertablett mit Sandwiches und Tee. Er selbst setzte sich mit gekreuzten Beinen vors Feuer. Wir saßen jetzt schweigend da und fühlten uns wohl, während mich ab und zu seine Blicke trafen, um zu beobachten, daß ich auch aß und trank und nicht wieder in diesen Zustand schläfriger Betäubung glitt, der meinen Körper schon wieder überfallen wollte.
Ich fing an, an seinen Sandwiches herumzunagen und hatte, ehe ich mich’s versah, alle verspeist und seine dampfende heiße Teetasse leergetrunken. Darüber lächelte er mich wohlgefällig an, ich hatte drei Sandwiches gegessen, und er nur eins.
»Noch eins?« fragte er und war schon drauf und dran aufzustehen und wieder in die Küche zu gehen.
Kopfschüttelnd lehnte ich mich zurück. »Es reicht. Ich hatte keine Ahnung, daß Sandwiches so sättigen können.«
»Eine Kunst, wenn man sich genug Mühe gibt. Wie wär’s mit einem Nachtisch, ein Stück selbstgebackener Cremekuchen?«
»Von dir?«
»Nein, Torten oder Kuchen backe ich nie, aber Rye Whiskey schickt mir immer ein riesiges Stück Kuchen, wenn er bäckt. Es reicht für uns beide.«
Aber ich war satt. Kopfschüttelnd lehnte ich den Kuchen ab, obwohl ich bei dem Stück, das er abschnitt, meine Entscheidung irgendwie bereits bedauerte. Aber ich hatte gelernt, daß Troy nie etwas doppelt anbot. Er gab einem nur eine Gelegenheit, anzunehmen oder es zu vergessen.
»Es tut mir leid, daß ich so zu dir hereingeplatzt bin«, murmelte ich bereits wieder schläfrig. »Ich sollte ganz schnell nach Farthy zurückgehen, bevor Tony böse über mich wird.«
»Er wird nicht annehmen, daß du während eines solchen Schneesturms fährst. Er wird denken, du hast dich in irgendeine Hotelhalle verkrochen und wirst bei der erstbesten Gelegenheit nach Hause kommen. Aber du könntest ihn anrufen und seine Sorgen beruhigen.«
Aber das Telephon gab keinen Laut von sich, als ich den Hörer abhob, die Leitungen waren tot.
»Ist schon gut, Heaven, mein Bruder ist kein Narr, er wird Verständnis haben.«
Er ließ seine Augen über mein Gesicht wandern und bemerkte vielleicht meine emotionale Müdigkeit. »Möchtest du darüber sprechen?«
Nein, ich hatte keine Lust, über Logans Zurückweisung zu reden, das tat viel zu weh. Gegen meinen Willen und meine Absicht, meinen Schmerz von ihm fernzuhalten, platzte meine Zunge trotzdem die ganze Geschichte heraus: Wie ich einmal Logan an einem entscheidenden Punkt betrogen hatte und wie er mir jetzt nicht dafür verzeihen konnte. »…und was fast genauso schlimm ist, jetzt ist er wütend darüber, daß ich nicht mehr arm und bemitleidenswert bin.«
Er stand auf, um unsere Teller in seine Spülmaschine zu stecken. Dann setzte er sich wieder auf den Boden, den er offensichtlich seinem bequemen Sofa und den Stühlen vorzog. Der Länge nach streckte er sich rücklings auf dem kuschligen, dicken Teppich aus und verschränkte die Hände hinterm Kopf, ehe er gedankenvoll sagte: »Ich bin überzeugt, Logan wird schon bald seine heutigen Worte bereuen, und du wirst wieder von ihm hören. Ihr seid beide noch sehr jung.«
»Ich möchte nie mehr einen Ton von ihm hören.«
Weitere Kostenlose Bücher