Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
weiß, es sind furchtbare Neuigkeiten«, sagte Logan, »aber du mußt jetzt an deine eigene Gesundheit denken und vor allem an dein Kind.«
»Mir geht es gleich wieder besser«, flüsterte ich, »mir geht es gleich wieder besser.«
Pa. Luke Casteel. Der Mann, um dessen Liebe ich immer gekämpft und die ich nie gewonnen hatte. Jetzt tauchten nur die schönen und glücklichen Stunden in meinem Kopf auf. Ich sah ihn draußen vor der Hütte mit Tom Baseball spielen, er warf den Ball, und Tom schwang den Schläger. Es war das einzige Spielzeug, das noch aus Lukes eigener Kindheit stammte. Ich sah ihn auf dem Hof stehen, an einem warmen Sommertag. Seine ebenholzbraunen Haare glänzten in der Sonne. Er sah so gut wie ein Filmstar aus, wenn er rasiert und gut gekleidet war. Wie die Frauen ihn immer angestarrt hatten! Ich erinnerte mich daran, wie ich mich nach einem freundlichen, liebevollen Blick von ihm gesehnt hatte. Und wenn ich dann das Glück hatte, daß er mich so ansah – wahrscheinlich sah er das Gesicht seiner geliebten Leigh in mir –, dann füllte sich mein Herz mit Freude und Glück.
Mein Vater, dieser schöne, unerreichbare Mann, den ich geliebt und gehaßt hatte, er war für immer fort und verloren. Es gab keine Chance mehr für uns, uns einmal zu treffen und einander unseren Haß zu verzeihen, keine Chance mehr, zu erklären und zu verstehen, keine Chance mehr, Wunden zu heilen und mit sanften Worten zueinanderzufinden.
Wie oft hatte ich mir im Geiste diese Szene vorgestellt. Wir würden einander ansehen, und beide würden wir erkennen, daß die Zeit gekommen war, Frieden zu schließen. Vater und ich würden schweigend Spazierengehen. Ein Vater, wie ich ihn nie gehabt hatte. Er beginnt schließlich, von sich zu erzählen und daß es einfach eine schlimme Zeit für uns alle war, die Zeit in den Willies. Er bekennt mir seine Sünden und entschuldigt sich dafür, daß er mich vernachlässigt hat. Nachdem er erkannt hat, wie unfair es war, mich dafür zu hassen, daß ich geboren wurde, erbittet er meine Vergebung und ich die seine.
Ich bitte ihn um Verzeihung, weil ich ihn wie wahnsinnig verfolgt hatte, um Rache zu nehmen, weil ich versucht hatte, wie sein Engel Leigh auszusehen, und weil ich ihn ständig im Zirkus besucht hatte. Ich erzähle ihm ein für allemal, daß Toms Tod nicht seine Schuld war, sondern meine.
Dann trösten wir einander und umarmen uns, während die Sonne am Horizont ins Meer versinkt. Und mein Herz würde vor Freude fast zerspringen.
Hand in Hand würden wir gehen, erneuert und wiedergeboren.
Jetzt würde ich allein gehen müssen, und die Worte, die hätten gesprochen werden sollen, würden ungesagt verhallen.
Die Tränen traten mir in die Augen und rollten über meine Wangen. Logan zog mich enger an sich, und wir saßen ganz still da. Curtis brachte mir ein Glas Wasser, dann erschien Tony. Ich trocknete mir die Tränen und sah zu ihm auf. Er schüttelte den Kopf und setzte sich in den alten Stuhl uns gegenüber.
»Es war ein Frontalzusammenstoß. Ein betrunkener Autofahrer kam auf die falsche Straßenseite und fuhr direkt in sie hinein.
Sie kamen gerade vom Zirkuszelt, etwas außerhalb von Atlanta, als es passierte. Der Anwalt sagt, daß sie laut Polizeibericht gar nicht mehr sagen konnten, was geschehen war. Der andere Fahrer muß hundertfünfzig Stundenkilometer gefahren sein.«
»O Gott«, sagte ich. Mir war übel geworden. Es war, als ob Dutzende von Schmetterlingen plötzlich aus ihrer Verpuppung geschlüpft wären und jetzt in meinem Magen herumflatterten. »Was ist mit Drake?« fragte ich.
»Gott sei Dank war er nicht bei ihnen. Er war bei dem Kindermädchen, Mrs. Cotton. Sie ist jetzt auch bei ihm. Lukes Frau hatte keine Geschwister; ihre Mutter lebt in einem Pflegeheim.«
»Ich muß sofort nach Atlanta«, sagte ich, »um das Begräbnis vorzubereiten und Drake zu holen. Er wird jetzt bei uns leben.« Ich wandte mich Logan zu. Sein Gesicht zeigte keinen Widerstand.
»Natürlich«, sagte er. »Ich komme mit.«
»Um das Begräbnis habe ich mich schon gekümmert«, sagte Tony. »Über den Anwalt.«
Einen Moment lang starrte ich ihn an. Ein Dutzend Fragen gingen mir durch den Kopf. Warum zum Beispiel das Telegramm an ihn gerichtet war und nicht an mich. Aber es war jetzt nicht die Zeit, solche Fragen zu stellen. Ich wollte unverzüglich nach Atlanta fahren und Drake holen.
»Ich muß mich mit Keith und Jane in Verbindung setzen… und mit Fanny«, sagte ich. »Wann
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