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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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einbeiniger Patient hüpfte furchtsam, aber behende auf Krücken umher und rief: »Was ist los? Was ist los? Brennt es etwa? Brennt es?«
    »Er ist wieder da!« brüllte ihm jemand zu. »Hast du nicht gehört? Er ist wieder da! Er ist wieder da!«
    »Wer denn?« rief jemand anderes. »Wer ist wieder da?«
    »Was hat das zu bedeuten? Was sollen wir jetzt machen?«
    »Brennt es?«
    »Nur auf und weg, verflucht nochmal! Los, macht, daß ihr wegkommt!«
    Alle sprangen aus den Betten und begannen, von einem Ende des Saales zum anderen zu laufen. Ein CID-Mensch suchte nach seiner Pistole, um den anderen CID-Menschen zu erschießen, der ihm vorsätzlich den Ellenbogen ins Auge gerammt hatte. Es herrschte komplettes Chaos. Der von Fieberphantasien heimgesuchte Patient sprang aus dem Bett und warf dabei fast den Einbeinigen über den Haufen, der seinerseits die schwarze Gummikappe seiner Krücke auf den nackten Fuß des anderen stellte und ihm etliche Zehen zerquetschte. Der Fieberkranke mit den zerquetschten Zehen sank auf dem Fußboden zusammen und weinte dort vor Schmerz, während die anderen über ihn weg trampelten und ihm in ihrer blinden Angst weitere Verletzungen beibrachten.
    »Er ist wieder da!« murmelten, sangen und heulten die Männer unaufhörlich, während sie im Saal hin und wider rannten. »Er ist wieder da! Er ist wieder da!« Plötzlich tauchte Schwester Gramer wie ein rudernder Verkehrspolizist in ihrer Mitte auf. Sie versuchte verzweifelt, Ordnung herzustellen und brach in Tränen aus, als ihr das mißlang, »Seid doch still, seid doch still«, flehte sie immer wieder schluchzend und vergeblich. Der geisterbleiche Kaplan begriff überhaupt nicht, was vorging. Auch Nately, der sich eng neben Yossarián hielt, verstand nichts, ebensowenig Hungry Joe, der die mageren Hände ballte und mit ängstlichem Gesicht zweifelnd um sich schaute.
    »Was geht denn nur vor?« jammerte Hungry Joe. »Was bedeutet das alles?«
    »Es ist derselbe!« schrie Dunbar, und seine Stimme war über dem Lärm deutlich zu vernehmen. »Versteht ihr denn gar nicht?
    Es ist derselbe!«
    »Derselbe!« hörte sich Yossarián rufen. Seine Stimme bebte von einer tiefen, drohenden Erregung, die er nicht zu beherrschen vermochte, und er drängte sich hinter Dunbar an das Bett des Soldaten in Weiß.
    »Immer mit der Ruhe, Freunde«, riet der patriotische Texaner breit, aber unsicher grinsend. »Kein Grund zur Aufregung. Immer mit der Ruhe.«
    »Der gleiche!« begannen die anderen zu murmeln, zu summen und zu heulen.
    Plötzlich war auch Schwester Duckett da. »Was geht hier vor?«
    verlangte sie zu wissen.
    »Er ist wieder da!« kreischte Schwester Gramer und sank ihr in die Arme. »Er ist wieder da, er ist wieder da.«
    Es war wirklich derselbe Mann. Er mochte 25 Zentimeter kürzer sein und war wohl auch dicker, Yossarián indessen erkannte ihn sogleich an den steifen Armen, den dicken, steifen, unbrauchbaren Beinen, die allesamt an straffen Seilen in der Luft gehalten wurden, erkannte ihn an den Bleigewichten, die an Rollen über ihm hingen, an dem ausgefransten, schwarzen Loch in den Bandagen über seinem Mund. Jawohl, er hatte sich kaum verändert. Es war auch noch das gleiche Zinkrohr, das aus dem steinharten Gips über seinem Magen aufragte und zu dem Glasbehälter auf dem Fußboden führte. Es war auch der gleiche Glasbehälter auf dem Gestell, aus dem die gleiche Flüssigkeit in die Ellenbogenbeuge tropfte. Yossarián hätte ihn überall erkannt. Er fragte sich, wer das wohl sein mochte.
    »Es ist niemand drin!« rief Dunbar ihm überraschend zu.
    Yossarián fühlte, wie sein Herzschlag aussetzte und seine Knie nachgaben. »Wovon redest du?« rief er ängstlich, von dem gehetzten, leidvollen Blick in Dunbars Augen und von dessen wahnwitziger, verängstigter Miene erschreckt. »Bist du verrückt?
    Was soll das heißen — es ist keiner drin?«
    »Geklaut haben sie ihn«, schrie Dunbar. »Hohl ist er wie ein Schokoladensoldat. Sie haben ihn rausgenommen und den Gipsverband hiergelassen.«
    »Wozu sollten sie das tun?«
    »Wozu tun sie alles andere?«
    »Geklaut haben sie ihn!« schrie ein dritter, und jetzt kreischte die ganze Station. »Sie haben ihn geklaut! Sie haben ihn geklaut!«
    »Geht doch wieder in die Betten«, flehte Schwester Duckett Yossarián und Dunbar an und trommelte dabei kraftlos gegen Yossariáns Brust. »Bitte, geht doch wieder in eure Betten.«
    »Du bist verrückt!« brüllte Yossarián Dunbar wütend an. »Wie

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