Catch 22
was das bedeutete, und konnte sich nicht klar darüber werden, ob er in Major — de Coverley mit einem milden Vorgesetzten gesegnet oder mit einem pflichtvergessenen Untergebenen geschlagen war. Er wollte sich nicht bei Sergeant Towser danach erkundigen, den er insgeheim fürchtete, und jemand anderen konnte er nicht fragen, am wenigsten Major — de Coverley.
Nur wenige Personen hatten je gewagt, Major — de Coverley nach etwas zu fragen, und der einzige Offizier, der töricht genug gewesen war, eines von Major — de Coverleys Hufeisen zu werfen, wurde bereits am folgenden Tage von dem übelsten Fall von Pianositis befallen, den GUS und Wes und selbst Doc Daneeka je gesehen oder auch nur hatten erwähnen hören. Niemand bezweifelte, daß Major — de Coverley sich durch Anhexung dieser Krankheit gerächt hatte, wenn auch niemand genau wußte, wie er das gemacht hatte.
Die meisten der dienstlichen Schriftstücke, die auf Major Majors Schreibtisch gelangten, gingen ihn nicht das geringste an. Die Mehrzahl von ihnen waren Hinweise auf ältere Verlautbarungen, die Major Major nie zu Gesicht bekommen hatte. Es war nie erforderlich, diese alten Vorgänge herauszusuchen, weil die neuen Anweisungen unweigerlich befahlen, die alten Anweisungen außer Acht zu lassen. Im Verlauf einer einzigen produktiven Minute vermochte Major Major daher zwanzig verschiedene Dokumente abzuzeichnen, deren jedes ihm befahl, keinem der anderen die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Aus General Peckems Büro auf dem Festland kamen täglich weitschweifige Memoranda, über denen solche aufmunternde Binsenwahrheiten standen wie: Unentschlossenheit stiehlt Zeit, oder: Sauberkeit kommt gleich nach Frömmigkeit.
General Peckems Verlautbarungen betreffend Sauberkeit und Unentschlossenheit vermittelten Major Major das Gefühl, ein ungewaschener Zauderer zu sein, daher schaffte er diese Schriftstücke als erste vom Tisch. Die einzigen dienstlichen Schriftstücke, die sein Interesse fanden, waren solche gelegentlich einlaufenden Schriftstücke, die sich mit dem unglücklichen Leutnant befaßten, der keine zwei Stunden nach seinem Eintreffen auf Pianosa über Orvieto abgeschossen worden war und dessen teils unausgepackte Sachen immer noch in Yossariáns Zelt standen. Da der unglückliche Leutnant sich bei der Flugleitung zum Dienst gemeldet hatte statt auf der Schreibstube, hatte Sergeant Towser entschieden, das sicherste sei, ihn als sich nie bei der Staffel gemeldet habend zu melden, und die wenigen Schriftstücke, die auf ihn Bezug nahmen, befaßten sich mit dem Faktum, daß er sich in Luft aufgelöst zu haben schien, was in gewisser Weise ja auch zutraf. Nach einer Weile begrüßte Major Major dankbar jedes dienstliche Schriftstück, das seinen Schreibtisch erreichte, denn den ganzen Tag im Büro zu sitzen und zu unterschreiben, war viel besser, als den ganzen Tag im Büro zu sitzen und nichts zu unterschreiben. So hatte er doch etwas zu tun.
Unvermeidlich kam jedes von ihm abgezeichnete Dokument nach einem Zeitraum von zwei bis zehn Tagen zu ihm zurück, angereichert um einen weiteren Bogen Papier, den er wiederum abzuzeichnen hatte. Die Akten waren dann viel dicker, denn zwischen dem Blatt, auf dem er zuvor unterschrieben hatte, und dem Blatt, das für seine neue Unterschrift hinzugefügt worden war, befanden sich die Blätter, welche die letzten Unterschriften all der anderen Offiziere in den weit verstreuten Standorten trugen, die ebenfalls damit beschäftigt waren, ihre Unterschrift unter den gleichen Akt zu setzen. Major Major verzweifelte, wenn er mit ansehen mußte, wie die simpelsten Direktiven schließlich zu umfangreichen Manuskripten anschwollen. Wie oft er auch eine davon unterschreiben mochte, stets kam sie zurück für eine weitere Unterschrift, und er zweifelte daran, daß er je auch nur ein einziges Schriftstück endgültig loswerden könnte. Eines Tages — es war der Tag nach dem ersten Besuch des CID-Menschen — setzte Major Major auf eines der Dokumente statt seines eigenen Namens den Namen Washington Irving, eigentlich nur um mal zu probieren, wie sich das anfühlte. Es fühlte sich angenehm an. Er fand solches Vergnügen daran, daß er diesen Akt während der übrigen Nachmittagsstunden auf allen dienstlichen Schriftstücken wiederholte. Es war dies ein Akt impulsiver Leichtfertigkeit, für die er, wie er wußte, später streng bestraft werden würde. Am nächsten Tag betrat er sein Büro sehr furchtsam und erwartete,
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