Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Gespenster die Schatten und das von den Baumkronen grün gefärbte Licht zu durchwandern. Der Pfad, dem die Kohorte folgte, war von den Bautrupps der Legion durch den Wald gehackt worden; vor dem Eintreffen der Römer hatten es die Einheimischen vorgezogen, den Wald zu umgehen. Auch die Arbeiter hatten sich anscheinend gefürchtet, denn der Pfad beschrieb keine gerade Linie, sondern wand sich um dicke Baumstämme herum, so sehr hatten sie sich beeilt, die Arbeit abzuschließen. Kaum war die Kolonne in den Wald eingedrungen, konnte man vor und hinter sich nurmehr etwa zwanzig Männer weit sehen, und Cato spürte, wie ihm unter dem Umhang ein Schweißrinnsal über den Rücken rann.
»Herr?«
Macro wandte den Kopf, während er mit knirschenden Schritten über den gefrorenen Weg marschierte. »Was gibt’s denn, mein Junge?«
»Wie weit ist es noch bis zum Dorf, Herr?«
»Du meinst, wie weit wir noch im Wald zu marschieren haben?« Macro lächelte.
»Ja, Herr.«
»Noch ein paar Meilen, dann lässt der Pfad den Wald hinter sich. Das Dorf sollten wir bis Mittag erreichen. Mach dir keine Sorgen, der Wald ist harmlos.«
»Aber falls man uns angreifen sollte …«
»Angreifen?«, wiederholte Macro spöttisch. »Wer sollte das tun? Die armen Schweine, die wir besuchen, bestimmt nicht. Und die nächste bewaffnete Germanenbande befindet sich ein gut Stück jenseits des Rheins. Entspann dich, mein Junge, du machst die Frauen nervös.« Macro deutete mit dem Daumen auf die Legionäre der Sechsten Zenturie, und die in Hörweite befindlichen Soldaten lachten lauthals. Cato errötete und versuchte, den Hals so weit wie möglich einzuziehen, während er den von Geistern bewohnten Wald aufmerksam beobachtete.
Als die Soldaten die anfängliche Bedrückung überwunden hatten, flogen alsbald wieder die üblichen Scherzworte und Frotzeleien hin und her. Das undurchdringliche Unterholz verschluckte einen Großteil des munteren Lärms, und was übrig blieb, klang eigentümlich gedämpft.
Endlich ließ die Kolonne den Wald hinter sich und marschierte in den hellen Wintermorgen hinaus, wo die Sonne das Land mit warmem Licht übergoss. Auf dieser Seite war der Wald gerodet worden, und die Kohorte kam durch primitives Bauernland, das gesprenkelt war von den düsteren kleinen Torfhütten der germanischen Siedler, aus denen dünne Rauchfahnen in den wolkenlosen Himmel stiegen. Die meisten Bauern hatten ihre Weidetiere heimgeholt, und aus den flachen Außengebäuden, an die sich noch der Morgennebel klammerte, drang das Muhen der Kühe und das Quieken der Schweine. Hin und wieder sah man ein Gesicht in einem Eingang, das den Vorbeimarsch der klirrenden Kohorte schweigend beobachtete, doch das waren auch schon die einzigen Lebenszeichen.
»Ein freundliches Völkchen, nicht wahr?«, kommentierte der Standartenträger.
»Die scheinen sich nicht sonderlich an uns zu stören«, erwiderte Cato. »Ich hätte erwartet, dass sie sich mehr für uns interessieren würden. Ich habe mir die Germanen ganz anders vorgestellt.«
»Wie denn?«
»Groß und aggressiv – so hat man sie mir in Rom geschildert. «
»Genau so sind sie auch, wenn man gegen sie kämpft«, sagte der Standartenträger im Brustton der Überzeugung. »Aber das hier sind bloß Bauern. Die sind wie alle Zivilisten, wenn eine Armee vorbeikommt. Sie halten sich bedeckt, um nur ja nicht aufzufallen. Hinter der Tür« – der Standartenträger nickte zu der Hütte hin, an der sie gerade vorbeikamen – »und hinter jeder anderen hockt eine Familie und betet, dass wir nicht anhalten mögen. Solche Leute haben von Soldaten nichts Gutes zu erwarten.«
An der Kolonnenspitze wurde das Kommando zum Anhalten gegeben, das die Zenturionen augenblicklich nach hinten weitergaben. Die Männer blieben stehen und warteten auf den nächsten Befehl.
»Alle Offiziere nach vorn!«
Macro, der den weitesten Weg zurückzulegen hatte, trabte sogleich an der Kolonne vorbei zu Vitellius vor, der auf dem Pferderücken die Erste Zenturie überragte. Von seiner Position am Ende der Kohorte aus konnte Cato erkennen, dass der Weg über eine niedrige Anhöhe führte. Die Offiziere versammelten sich in dem respektvollen Abstand, den Infanteristen der Reiterei gegenüber bewahren, um Vitellius, der seine Befehle hin und wieder mit Gesten unterstrich. Als sie entlassen waren, eilten die Offiziere zu ihren Zenturien zurück. Macro lächelte, als er die fragenden Blicke des Standartenträgers und seines Optios
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