Cato 05 - Beute des Adlers
abzuschneiden.
»Verdammte Scheiße!«, schrie Proculus. »Macht schneller, ihr Hundesöhne! Schneller!«
Endlich durchschnitt die Dolchklinge den Ast in Catos Hand. Er wirbelte herum und warf ihn auf den ersten. Dabei fiel sein Blick auf den versinkenden Legionär.
»O nein … «, flüsterte Cato. Jetzt waren nur noch der Kopf und die Schultern zu sehen. Proculus hatte die Arme nach seinen Kameraden ausgestreckt und hielt den Speer noch immer fest mit der rechten Hand umklammert. Mit einem Gurgeln sank er noch tiefer ein. Fauliges Wasser rann in seinen Mund.
»O Scheiße«, röchelte er. »Rettet mich!«
Cato ließ den Dolch fallen, und trat auf die Äste im Schlamm.
»Nein!« Metellus packte ihn beim Arm. »Es ist zu spät … «
Cato riss sich los. Proculus hatte den Kopf zurückgeworfen. Mit schreckgeweiteten Augen musste er mit ansehen, wie ihm der Schlamm bis über die Nase stieg. Dann versank er bis zur Stirn. Die Finger seines ausgestreckten Arms griffen ins Leere. Der Kopf ging unter, und zurück blieb nur eine trübe Pfütze, aus der noch einige Blasen aufstiegen. Noch einmal erhob sich Proculus ’ Faust. Dann erschlafften die Finger langsam, und schließlich war auch die Hand verschwunden.
Einen Moment lang herrschte Stille, als die Männer auf die Stelle starrten, wo gerade noch der Kopf ihres Kameraden gewesen war.
»Verflucht … «, keuchte einer der Männer.
Cato ließ sich ins Gras fallen. Die Männer setzten sich langsam neben ihn. Langsam, fast unmerklich verschlang der Sumpf auch das Reh. Die Männer betrachteten das Schauspiel mit einer Mischung aus schockierter Trauer um Proculus und quälendem Hunger. Schließlich schloss sich das faulige Wasser vollständig über dem blutbefleckten Fell.
Irgendwann stand Cato auf und steckte den Dolch in den Gürtel zurück. »Gehen wir.«
Metellus sah den Centurio erstaunt an. »Wohin, Herr?«
»Zurück zum Lager.«
»Was soll das bringen?«
»Wir müssen von hier weg«, sagte Cato geduldig. »Der Nebel hat sich gelichtet. Man könnte uns entdecken.«
»Auch schon egal, Herr«, erwiderte Metellus resigniert. »Früher oder später wird uns dieser beschissene Sumpf sowieso alle umbringen.«
KAPITEL 28
Z wei Tage, nachdem die Dritte Kohorte das Lager an der Tamesis verlassen hatte, erreichte sie das Tal. Maximius gab Befehl, die Zelte aufzustellen und einen Verteidigungsgraben auszuheben, bevor die Sonne im Westen verschwunden war. Das flache Tal vor ihnen war kaum breiter als zwei Meilen und etwa acht Meilen lang. Hinter einer unregelmäßigen Hügelkette erstreckte sich der Sumpf, so weit das Auge reichte – ein trostloses Durcheinander aus verkrüppelten Bäumen und Schilf, unterbrochen nur von dunklen Wasserflächen und kleinen Wäldchen auf Hügeln, die wie die Rücken von Seeungeheuern aus dem Morast ragten.
Vom kleinen Wachturm über dem Lagertor aus hatte Centurio Macro eine gute Aussicht auf das Tal. Er sah Dutzende feiner Rauchsäulen, die vor den sanften Hügeln aufstiegen. In der Nähe des Lagers konnte er vereinzelte Ansammlungen von Hütten erkennen. Ein trüber Schleier über einem kleinen Wäldchen inmitten des Tals ließ auf eine größere Ansiedlung schließen. Wie idyllisch, dachte er. Doch das würde sich in den nächsten Tagen gewaltig ändern.
Eisenstollen klapperten auf Holz, und einen Augenblick später erschien Maximius ’ Kopf über den Bodenbrettern des Wachturms. Er stieg auf die Plattform und wischte sich mit dem Unterarm über die glänzende Stirn.
»Schwere Arbeit!«
»Ja, Herr.«
»Aber es war richtig, dass wir die Männer zur Eile angetrieben haben. Sonst wären wir vor Einbruch der Dunkelheit nicht hier angekommen.«
»Ja, Herr«, erwiderte Macro und beobachtete die Legionäre, die gerade das letzte Stück Graben aushoben und die Erde zu einem Wall aufschütteten. Etwa hundert Schritt vom Graben entfernt hatten Männer mit Holzpflöcken Stellung bezogen. Die meisten hatten sich vor Erschöpfung auf ihre Schilde gestützt. Wenn der Feind jetzt – oder in dieser Nacht – angriff, würden die Männer zu müde sein, um ihr Lager ordentlich zu verteidigen. Doch deshalb konnte man Maximius keinen Vorwurf machen. Er stand wie die meisten Kommandanten vor der schweren Entscheidung, die Kampfbereitschaft seiner Männer für eine gute Verteidigungsstellung zu opfern. Immerhin würde die Dritte Kohorte am nächsten Morgen nur eine kurze Entfernung marschieren müssen – und sie wäre ausgeruht und bereit,
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