Cato 05 - Beute des Adlers
seinen leeren Magen zu steigen, der aus Vorfreude über das kommende Mahl laut zu knurren anfing. Cato wurde angesichts seiner Schwäche von einer Welle kalter Selbstverachtung und Wut überrollt. Er war ein Centurio. Ein Centurio der Zweiten Legion. Verdammt wollte er sein, wenn ihm das nichts mehr bedeutete.
»Herr?«
Cato hob den Kopf und sah Metellus an. Der Legionär hielt ihm das Fleisch mit einem besänftigenden Lächeln hin. Dass er wie ein trotziges Kind behandelt wurde, machte Cato die Entscheidung leicht. Er zwang sich, den Blick von dem Fleisch zu reißen und dem Soldaten ins Gesicht zu sehen, der sie alle aus purem Eigennutz in Gefahr gebracht hatte.
»Du Narr! Was nutzt uns das, wenn wir morgen schon tot sind? Oder wann sie uns eben aufspüren werden.«
Metellus starrte ohne Antwort zurück. Seine überraschte Miene verwandelte sich schnell in einen Ausdruck düsterer Aufmüpfigkeit, und er warf das Fleisch auf den Boden.
»Bedien dich selbst, Herr.«
Blitzartig stieß Cato mit dem stumpfen Ende des Speers gegen Metellus ’ Brust. Der Legionär wurde in die Arme der Männer geschleudert, die hinter ihm kauerten und immer noch aßen. Sofort durchbrach ein Chor ärgerlicher Stimmen die gespannte Atmosphäre.
»Ruhe!«, schrie Cato. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Maul halten, verdammt noch mal!« Er funkelte sie herausfordernd an, dann wandte er sich wieder Metellus zu. »Du – du lächerlicher Abklatsch eines Soldaten … du wirst bestraft!«
Metellus ’ Augenbrauen hoben sich, dann brach er plötzlich in Gelächter aus. »Bestraft? Du willst mich bestrafen, Herr?«
»Ruhe!«, brüllte Cato zurück und holte mit dem Speerende zu einem neuen Schlag aus. »Ruhe! Ich habe hier das Kommando!«
Metellus lachte weiter. »Dass ich nicht lache! Und wie willst du mich bestrafen, Herr? Soll ich die Latrine ausleeren? Oder eine zusätzliche Wache am Haupttor übernehmen?« Er wedelte mit der Hand durch die Lichtung. »Sieh dich um. Hier ist kein Lager. Und kein Festungswall. Keine Baracken und keine Latrine … nichts. Worüber hast du denn das Kommando? Nur über uns. Sieh den Tatsachen ins Auge, Kleiner.«
Cato wechselte den Griff um den Speer und wirbelte ihn herum, sodass die Spitze nur einen Fuß von der Kehle des Legionärs in der Luft schwebte. Die anderen hörten auf zu essen, griffen nach ihren Schwertern und Dolchen und starrten den Centurio mit klopfenden Herzen an.
Einen Augenblick lang herrschte Totenstille, nur durchbrochen von den gellenden Schreien der Sau auf der anderen Seite der Lichtung.
Dann trat Figulus langsam vor und legte sanft die Hand auf Catos Speer. »Ich werde mich um dieses Stück Scheiße kümmern, Herr.«
Cato sah ihn finster an, dann ließ er den Speer sinken und spuckte neben Metellus aus. »Na gut, Optio. Er gehört dir.«
Sobald Cato den Befehl ausgesprochen hatte, drehte er sich um, damit die Tränen in seinen Augenwinkeln nicht seine Gefühle verrieten. Er ging zu einem kleinen, grasbewachsenen Hügel am Rand der Lichtung hinüber, von dem aus man den Sumpf überblicken konnte.
Hinter ihm packte Figulus Metellus und stellte ihn auf die Beine. »Wird Zeit, dass dir mal jemand eine Lektion erteilt.«
Der Optio riss das Schwert aus dem Gürtel, warf es zur Seite und hob die Fäuste. Metellus beobachtete ihn wachsam, dann grinste er. Der Optio war groß und breit, ein Verdienst des keltischen Bluts in seinen Adern. Metellus war schlanker, doch die Jahre, die er im Dienste der Adler verbracht hatte, hatten ihn auf erbarmungslose Weise gestählt. Hier stand Muskelkraft gegen Erfahrung. Figulus war nicht entgangen, dass sich Metellus Chancen ausrechnete, als er in Position ging und den Optio zu sich winkte.
Metellus trat einen Schritt vor, um unter wildem Gebrüll den ersten Schlag zu landen. Doch so weit kam es nicht. Figulus ’ Faust schnellte mit atemberaubender Geschwindigkeit vor und landete mit einem leisen Knirschen im Gesicht des Legionärs. Metellus ging zu Boden und blieb reglos liegen. Figulus hatte ihn mit einem Schlag außer Gefecht gesetzt. Er trat noch einmal nach dem liegenden Mann, dann sah er die anderen Legionäre an.
»Will hier noch jemand den Befehl verweigern?«, fragte er grinsend.
Es war eine ruhige Nacht. Cato übernahm die erste Wache. Er saß in den dunklen Schatten eines Baums und beobachtete den milchigen, feuchten Schimmer auf dem von der silbernen Mondsichel beschienenen Sumpf. Im Lager herrschte Stille. Die Männer hatten sich
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