Cato 09 - Gladiator
nicht weiterschieben ließ. Die Lücke war gerade breit genug für ein Pferd. Der Wachposten zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Tut mir leid, Herr, aber das Mauerwerk hat sich verlagert. Weiter bekommen wir das Tor nicht auf.«
Sempronius bedankte sich mit einem Kopfnicken und trieb das Pferd durch die Lücke. Dahinter bot sich ihnen der bereits vertraute Anblick von Ruinen und trümmerübersätem Pflaster. Hier waren allerdings mehr Menschen im Freien als in Matala, und zum ersten Mal sah Cato einen Hoffnungsschimmer. Offenbar waren nicht alle Siedlungen so schwer betroffen wie befürchtet, doch andererseits hatte Matala ihn auf das Schlimmste vorbereitet. Das Pferd suchte sich einen Weg über die Hauptstraße, vorbei an einem Markt, wo zahlreiche Stände eingestürzt waren und die Überlebenden die Waren aus den Trümmern hervorwühlten. Richtung Stadtmitte säumten große Zivilgebäude die Straße, und selbst ihre hohen Steinsäulen waren umgefallen wie Kegel. Die Steinblöcke lagen auf der Straße und auf der zu den Tempeltoren hochführenden Treppe.
Der Statthalterpalast lag in der Stadtmitte von Gortyna, an der Kreuzung der beiden Hauptstraßen. Er war umgeben von einer hohen Mauer mit einem imposanten zweibogigen Torhaus. Dahinter lag ein großer gepflasterter Hof. Der Palast, ein vornehmes Gebäude aus weißem Marmor, sah aus, als wäre er von Belagerungsmaschinen bearbeitet worden. In den Wänden klafften große Lücken, und das ziegelgedeckte Dach war nur noch stellenweise erhalten.
Sempronius atmete scharf ein. »Ein Wunder, dass es überhaupt Überlebende gibt.«
»Ja«, murmelte Cato. »Die Stallungen liegen anscheinend dort drüben.«
Er deutete zu einem schmalen, ummauerten Hof an der einen Seite des Hauptgebäudes. Auf dem Pflaster standen oder hockten zahlreiche Menschen, einige hielten Kinder in den Armen oder stützten andere Verletzte, die darauf warteten, versorgt zu werden. Zwei Armeeärzte in schwarzen Tuniken kümmerten sich um die Hilfsbedürftigen und ließen nur die Schwerverletzten ein. Die Stimmung der Menge war verdrossen, und als sie sich den Stallungen näherten, vernahm Cato zorniges Gemurmel.
»Macht Platz!«, rief Sempronius. »Aus dem Weg, sage ich!«
Die Menge teilte sich vor dem Pferd, und die Umstehenden blickten empört zu den Reitern auf.
»Der Junge ist verletzt«, knurrte ein alter Mann. »Seht ihr, da am Bein.«
»Der Dreckskerl drängelt sich vor!«, rief jemand, und das zornige Gebrummel pflanzte sich weiter fort. Die nächsten Wartenden weigerten sich, Sempronius Platz zu machen.
»Stellt euch hinten an, genau wie alle anderen!«
Sempronius blickte zu dem Rufer hinüber. »Ich bin römischer Senator, verdammt nochmal! Und jetzt macht endlich Platz.«
»Das würde dir so passen!«
»Ein Recht für die Reichen, das andere für die Armen!«, rief ein anderer Mann.
»Genau!«, entgegnete Sempronius. »So ist das nun mal. Und jetzt macht den Weg frei, bevor ich ihn mit Gewalt freiräume!« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, zog er das Schwert und funkelte die Menge herausfordernd an. Die Menschen starrten zurück, doch als Sempronius sein Pferd vorantrieb, teilten sie sich vor ihm.
Als er durch den Torbogen auf den Hof ritt, reckte ein Mann die Faust und rief: »Verfluchte Aristokraten! Hier krepieren die Menschen, und die kümmern sich nur um sich selbst!«
Ungeachtet des verbitterten Geschreis behielt Sempronius seine hochmütige Haltung bei, ritt bis zu einem Geländer, ließ sich aus dem Sattel gleiten und band das Pferd an. Auch Cato saß ab und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz durch sein Bein schoss. Er fasste sich an den Schenkel, schaute sich um und sah einen Mann in einer dunklen Tunika mit roten Zierleisten an den Ärmeln aus einem der Ställe treten.
Der Mann zeigte auf Catos Bein. »Da muss ich mich drum kümmern.« Mit einem schmutzigen Tuch wischte er sich die blutigen Hände ab und ging den Neuankömmlingen entgegen.
»Römer?«
Cato nickte.
Der Arzt deutete auf Catos verbundenen Oberschenkel. »Wie ist das passiert?«
»Wir sind auf entlaufene Sklaven getroffen. Einer hat mich mit einer Mistgabel verletzt.«
»Hässliche Sache. Ich schau’s mir mal an.«
»Später. Wir müssen den Statthalter sprechen.« Cato zeigte auf Sempronius. »In dringender Angelegenheit.«
»Eilig haben’s alle.« Der Arzt lachte bitter auf. »Aber leider ist er nicht in der Verfassung, Besuch zu empfangen, der arme Kerl.«
»Sehr
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