Chaosprinz Band 1
darf ich mich nicht wirklich beschweren. Ich habe mir vollkommen unnötig Sorgen gemacht. Sie ist nicht zu Pa und Bettina gerannt, sie hat nicht überall herumerzählt, dass ich schwul bin. Nun, ihren beiden Freundinnen hat sie es ganz offensichtlich gesagt, aber scheinbar nur, weil sie sich… Hm, ja, irgendwie schien sie sich über meine Homosexualität zu freuen. Ich kann mir zwar nicht erklären, warum, doch spielt das auch nicht unbedingt eine so wichtige Rolle. Vielleicht sieht sie in mir jetzt eher einen Vertrauten, jemanden, mit dem sie reden kann, der sich auf ihre Seite stellt.
Tropfend verlasse ich die Dusche und watschle, nur mit einem Handtuch bekleidet, zurück in mein Zimmer. Auf dem unordentlichen Bett liegt noch immer Marias handgeschriebene Liste. Ich schüttle grinsend den Kopf, nehme sie und will sie in den Mülleimer schmeißen. Doch dann halte ich inne. Hm! Ich werfe einen Blick auf die aufgelisteten Namen und lächle erneut. Ich werde sie behalten, nur so zum Spaß… Wer weiß, wozu ich sie noch brauchen kann…
***
Meine Hände sind feucht. Verzweifelt wische ich sie an meiner Jeans ab, fahre mir noch einmal durch die langen Haare und befeuchte meine trockenen Lippen mit der Zunge. Dann klopfe ich an die Tür, halte den Atem an und warte.
»Ja?« Alex' Stimme erklingt dumpf hinter der schweren Holztür. Mein Herz bummert. Ich bin aufgeregt.
»Hey!« Schüchtern lächelnd stecke ich den Kopf durch den Türspalt. Er liegt bäuchlings auf seinem Bett und liest. Über seine Schulter hinweg sieht er mich an. Seine Wangen färben sich zart rosa.
»Darf ich reinkommen?«, frage ich mit rauer Stimme und räuspere mich.
»Ja.«
Ich schließe die Tür hinter mir und gehe auf ihn zu. Er blickt wieder in sein Buch. Michael Endes Die unendliche Geschichte .
Ich streife mir die Hausschuhe von den Füßen und krabble vorsichtig aufs Bett. Er schaut ein bisschen unsicher auf, als ich mich neben ihn lege.
»Was gibt's?« Prüfend sieht er mich an. Die grauen Augen bohren sich in meine.
»Ich wollte nur… ähm, einfach nur… äh, plaudern.« Ich bin schon wieder unsicher. Der Kuss gestern Abend ist so schön gewesen, so leidenschaftlich und gleichzeitig zärtlich. Ich bin mir sicher, wäre Timmy nicht in das Zimmer gekommen, dann hätten wir weitergemacht. Und jetzt? Jetzt ist alles wieder wie vorher. Nein, es ist nicht so wie vorher, es ist alles dreimal so kompliziert!
»Bambi?« Unsanft stößt er mir seinen Ellenbogen in die Seite. »Wenn du träumen willst, dann tu das in deinem Bett.«
»Ich träume aber lieber mit dir zusammen…« Ich beiße mir auf die Lippe. Scheiße, muss ich eigentlich immer genau das sagen, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf geht? Er schaut mich aus großen Augen an. Kurz blitzen sie auf, seine Wangen schimmern wieder rosa, dann verschließt sich seine Miene, er senkt erneut den Kopf und liest in seinem Buch.
»Mach dich nicht über mich lustig und sag, was du willst«, brummt er mürrisch.
»Ich mache mich nicht über dich lustig«, versichere ich ihm hastig. Ich rutsche noch ein Stückchen näher an ihn heran und versuche, zu lächeln. »Ehrlich nicht!«
Er spielt mit dem Bleistift in seiner rechten Hand. Ich sehe ihm dabei zu. Wir schweigen. Unsere Schultern berühren sich. Mein Herz klopft. Ich hör ihn leise atmen. Es ist so still, ich habe Angst, etwas zu sagen. Ich bin froh, dass er es ist, der das Schweigen bricht.
»Wolltest du nicht über irgendetwas reden?«, fragt er leise.
»Es geht um Maria.«
»Ja?« Er ist überrascht.
»Sie hat mich gebeten, ein gutes Wort für sie einzulegen. Sie möchte so gerne zu dieser Party heute Abend und Tom scheint ja nichts dagegen zu haben, darum weiß ich nicht, wieso du dich so querstellst«, erkläre ich schnell.
»Sie wird nicht gehen.« Er hat den Blick wieder gesenkt und blättert nun in seinem Buch.
»Wieso nicht? Und überhaupt, sollten das nicht eher Bettina und Pa entscheiden?«
»Sie haben mir die Verantwortung übertragen und verlassen sich auf mein Urteil«, meint er knapp.
»Ich finde das reichlich unfair«, sage ich ernst.
Alex seufzt, schlägt das Buch zu und blickt mich an. »Zu Toms Partys kommen immer Leute, die entweder in unserem Alter oder älter sind. Er kennt eine Menge Studenten durch seine große Schwester. Die Feiern sind oft sehr wild, es gibt immer viel Alkohol und hin und wieder bringt auch jemand Drogen mit. Klingt jetzt vielleicht schlimmer, als es tatsächlich ist, es
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