Chaosprinz Band 1
zu. »Ja, das sind sie wirklich.«
Wie sanft und zärtlich seine Stimme dabei klingt. Plötzlich weiß ich wieder ganz genau, warum ich mich sofort so wahnsinnig wohl in seiner Gegenwart gefühlt habe.
»Du hast dich gar nicht mehr gemeldet… Wolltest du nicht wissen, wie es Ikea geht?« Oh Scheiße! Megaschlechtes Gewissen. An den Vogel habe ich in den letzten zwei Wochen so gut wie gar nicht gedacht. Das war's wohl mit meiner Karriere bei Greenpeace.
Manu lächelt mich nachsichtig an. »Schon okay, Tobi. Du hattest in den letzten zwei Wochen bestimmt mehr als genug zu tun. Ich meine, mit deiner neuen Familie und so… Ihr musstet euch ja erst einmal kennenlernen.«
Ja, wir wissen schon eine ganze Menge übereinander: Ich weiß, dass sie arrogante, kalte und falsche Snobs sind, die mich hier nicht haben wollen, und sie wissen, dass ich keinen Schellfisch mag. Wir sind eine große, glückliche Familie…
»Tobi? Alles klar?« Besorgt sieht mich Manu an. Ich weiche seinem Blick aus und starre auf meine Füße. Nein, gar nichts ist okay…
»Wir sind mit dem Auto da. Wo sollen wir dich absetzen?« Marcs kühle Stimme unterbricht meine Gedankenflut und plötzlich kann ich nur noch an eines denken: Nicht nach Hause, ich will da nicht hin, nicht heute Nacht!
Meine Kehle ist trocken, das Schlucken fällt mir schwer, ich weiß, Marc wartet auf eine Antwort und ich bin mir auch Manus sorgenvollem Blick bewusst, aber irgendwie schaffe ich es nicht, meine wirren Gedanken in sinnvolle Wörter umzuformen.
» Hey! «
Perfekt! Das i-Tüpfelchen für diesen geschichtsträchtigen Abend. Der krönende Abschluss sozusagen. Auf der anderen Straßenseite steht Alex. Stinkwütend oder überrascht oder erleichtert oder verwirrt… Keine Ahnung, ich kann nur schwer in seiner Mimik lesen.
Wir überqueren gleichzeitig die Straße. Gehen aufeinander zu. In der Mitte der Fahrbahn treffen wir uns. Die Einbahnstraße ist nur wenig befahren. Ich muss wie immer den Kopf ein wenig in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie funkeln dunkel.
»Du bist der größte Vollidiot, den ich jemals getroffen habe«, blafft er mich an. Wow, tolle Begrüßung.
»An diesem Tisch saßen eine Menge Vollidioten…«
»Pass auf, was du sagst!« Aus seiner Stimme kann ich heraushören, dass er es tatsächlich ernst meint.
»Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
»Du hast recht, es wäre wahrscheinlich besser gewesen, ich hätte es so wie ihr gemacht und gar nicht nachgedacht, sondern immer nur Ja und Amen zu allem gesagt!« Mit verstellter Stimme äffe ich meine Stiefgeschwister nach und kann einen überraschten Schmerzensschrei nicht unterdrücken, als sich Alex' Hand blitzschnell um meinen Oberarm schließt und fest zudrückt.
»Was soll das, Alex? Mann, lass mich los!« Ich versuche, meinen Arm aus seinem Griff zu befreien, doch er hält mich fest und zerrt mich näher zu sich heran.
»Gottverdammte Scheiße, du hast doch keine Ahnung!«
Ja, er hat recht, ich habe keine Ahnung… Ich hab Angst! Angst vor ihm, vor seinem Blick, der so wütend ist… und so… ich weiß nicht, so… verletzt?
»Alex, ich dachte, ich könnte…« Versteht er es denn nicht? Versteht er denn nicht, dass ich ihnen helfen wollte? Ich wollte sie verteidigen, weil sie doch… weil sie doch… Scheiße, sie sind meine Familie.
Sein Blick ist wieder undurchdringlich. Er zieht mich noch ein Stückchen näher zu sich. »Halt die Klappe und komm jetzt mit!«
»Was? Wohin?«
»Wohin wohl? Wir fliegen zum Nordpol, dort musst du dann bleiben und den Elfen vom Weihnachtsmann beim Geschenke einpacken helfen… blöde Frage! Wir gehen nach Hause!« Er dreht sich um und will mich mit sich ziehen, doch ich wehre mich so gut ich kann.
»Nein, ich will da nicht hin.«
»Sag mal, spinnst du? Ich renne durch die ganze Stadt, nur um dich zu finden, und dann sagst du, du willst nicht? Du kannst mich mal!«
»Ach, so ein Blödsinn! Ich weiß doch, dass du mit deinen Freunden unterwegs bist, ihr wolltet doch in irgendeinen Club… War nur ein dummer Zufall, dass du mich hier getroffen hast.« Wütend nicke ich mit dem Kopf in Richtung von vier Jungs, die uns von dem Gehsteig aus beobachten. Ich habe sie bis eben noch gar nicht beachtet, und um ehrlich zu sein, interessieren sie mich im Moment auch recht wenig.
»Natürlich, du weißt wie immer über alles Bescheid… Ich habe deine exzellente Menschenkenntnis total vergessen, tut mir wahnsinnig leid.«
»Ich
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