Chaosprinz Band 2
klingen? Panisch schrecke ich in die Höhe. Nein, das ist nicht Alex' Herz, das sind Schritte auf der Holztreppe, die zu meinem Dachboden führt. Ich rüttele an Alex' Schulter.
»Wach auf! Da kommt jemand«, zische ich aufgeregt.
Alex blinzelt mich verschlafen an und hebt leicht verwirrt den Kopf. »Was ist los?«
Meine Antwort ist ein heftiger Schubs und mit einem dumpfen Schlag fällt Alex aus dem Bett. Die Bodenluke öffnet sich.
»Tobi? Um Gottes willen, ist dir was passiert?« Marthas Kopf erscheint in der Öffnung.
»Oh, ich bin aus dem Bett gefallen. Ist aber schon wieder okay…«
Martha sieht mich erschrocken an. »Was machst du denn auch immer für Sachen?« Sie schüttelt den Kopf.
»Sorry«, nuschle ich. Ich bin sehr froh, dass wir die Dunkelheit als Verbündete auf unserer Seite haben.
Martha ermahnt mich noch einmal liebevoll, doch in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein, und rät mir dann, mich schleunigst fertig zu machen, damit ich noch genügend Zeit für ein entspanntes Frühstück habe. Ich nicke brav und verspreche, mich zu beeilen. Als sie die Luke hinter sich schließt und sich ihre Schritte nach unten bewegen, atme ich erleichtert auf .
Alex schafft es, in sein Zimmer zu schleichen, ohne dabei von irgendeinem Familienmitglied gesehen zu werden. Doch uns ist beiden klar, dass wir ziemlich viel Glück gehabt haben. In Zukunft werden wir vorsichtiger sein müssen.
Eine halbe Stunde später sitzt die gesamte Familie um den großen Frühstückstisch herum und schweigt. Die mysteriöse Stille hat sogar von Ma Besitz ergriffen. Und wenn Ma einmal stumm bleibt, dann hat das nur einen einzigen Grund: Es geht ihr nicht gut. Sie hat Kopfschmerzen. Daran ist sie selbst Schuld. Schließlich hat sie ja niemand gezwungen, gemeinsam mit Bettina eineinhalb Flaschen Rotwein zu trinken…
Die beiden sehen nicht sehr frisch aus. Ich bin mir nicht sicher, wer die hübscheren Augenringe hat und wessen Haare zerzauster sind. Beide starren stumm auf ihre Brote und machen keinerlei Anstalten, sie auch nur mit dem kleinen Finger anzurühren.
Timmy will besorgt wissen, ob seine Mommy krank ist. Doch Pa beruhigt ihn sofort und erwidert mit extra lauter Stimme, dass es Mommy bestens gehen würde. Das ist alles, was er während des Frühstücks sagt.
Still ist er jedoch nicht. Im Gegenteil. Er klappert zu jedem passenden und unpassenden Anlass mit dem Geschirr, knallt die Milchflasche auf die Tischplatte und rutscht ständig laut knarrend mit seinem Stuhl über den Holzfußboden.
Bettina verzieht nur gequält das Gesicht, Ma verdreht die Augen und ich versuche, ihn mit einem Killerblick davon zu überzeugen, dass sein Verhalten einfach nur kindisch ist. Selbstverständlich ist es nachvollziehbar, dass ihm die unerwartete Freundschaft zwischen den beiden Frauen missfällt.
Ma ist einer dieser Menschen, die in einen Raum kommen und denen sofort alle Herzen zufliegen. Ihre extreme Offenheit wird stets als erfrischend und charismatisch bezeichnet und das obwohl sie auch sehr penetrant und direkt sein kann.
Aber Bettina? Sie ist das komplette Gegenteil. Ruhig, verschlossen, unsicher und verletzlich. Dass sie sich dermaßen von Mas Charakter verzaubern lassen würde, das hätte selbst ich niemals erwartet. Und Pa schon dreimal nicht. Er ist nicht nur überrascht, nein, er ist geschockt. Diese Verbindung ist für ihn alles andere als vorteilhaft. Er kann dabei nur verlieren.
Ma hat Bettina gestern Abend zu einer schnellen Entscheidung gedrängt. Tatsächlich ließ sich Bettina leicht beeinflussen und überzeugen. Und so kam es dazu, dass sich Bettina, Alex, Maria und Martha heute Nachmittag mit Markus in seiner Galerie treffen werden.
Gestern schien Bettina auch noch vollkommen Mas Meinung zu sein. Doch heute Morgen ist von dieser selbstbewussten Entscheidungsfreude nicht mehr viel übrig. Bettina sieht eher so aus, als würde sie sich am liebsten wieder in ihr Bett verkriechen und dort für den Rest des Jahres bleiben.
Auch Maria und Alex präsentieren eine ungesunde Blässe um die hübschen Nasenspitzen. Der Gedanke an ein baldiges Wiedersehen mit ihrem leiblichen Vater macht sie verständlicherweise extrem nervös. Ich versuche, Alex mit zärtlichen Blicken zu beruhigen, doch scheint ihm ein gut ausgeklügelter Fluchtplan momentan lieber zu sein.
Trotz nervöser Bauchschmerzen machen wir uns auf den Weg zur Schule. Maria, Alex und ich.
»Jetzt weiß ich endlich, woher du das hast«, bricht Maria das
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