Chaosprinz Band 2
starre ich zu ihm hoch. »Nein…«, stammle ich mit klopfendem Herzen. »Das hast du vollkommen falsch interpretiert…«
Oh Gott, was für eine Katastrophe. Mir fehlen die Worte. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
»Tobias?« Marcs Stimme. Ich sehe Manu entschuldigend an.
»Bin gleich wieder da«, hauche ich leise.
Er nickt nur und wendet sich mit ernstem Blick ab. Nervös gehe ich zurück in den Flur, wo Marc auf mich wartet.
»Hat er die Wunden desinfiziert?«, fragt mich Marc sofort. Er klingt sehr aufgeregt.
»Was?« Ich kann ihm nicht richtig folgen.
»Die Kratzwunden an seinen Unterarmen. Man muss sie richtig desinfizieren und mit Salbe eincremen, damit sich nichts entzündet und keine Narben zurückbleiben.« Marc drückt mir ein Fläschchen mit einer hellen Flüssigkeit und eine Tube mit einer Wundheilsalbe in die Hände.
Ich starre das Zeug an. »Gib es ihm doch selbst.«
Marc verdreht nur die Augen und gibt mir einen kräftigen Stoß in Richtung Wohnzimmer. Manu sitzt nur mit Boxershorts bekleidet auf dem Sofa und betrachte sein Schienbein, das in den herrlichsten Farben schimmert.
»Tut das weh?«, frage ich vorsichtig.
»Nur wenn ich drauf drücke… oder es generell anfasse…« Sein Lächeln ist ein bisschen schief.
Ich zeige ihm das Fläschchen und die Salbe.
»Marc will, dass ich dich verarzte.« Ich weiß, Marc steht dort draußen im Flur und lauscht. Er wird mich gerade ganz sicher fürchterlich verfluchen.
»Aha«, meint Manu unsicher. Ich setze mich neben ihn auf die Couch und öffne die Tube mit der Salbe.
»So, wie mache ich das jetzt am besten?«, überlege ich laut. »Erst die Salbe verteilen und dann das ganze Desinfizierungsdingsbums über die Wunden kippen oder war es andersrum?«
Manu grinst mich freundlich an. »So schlimm ist es doch gar nicht. Ich kann sehr gut auf irgendeine medizinische Versorgung verzichten.«
»Aber dann entzündet es sich.«
»Und wenn schon. Ich bin hart im Nehmen.« Er fährt sich mit der Hand durch das feuchte Haar.
»Das ist so typisch!« Marc kommt ins Wohnzimmer gestürmt, die Hände in die Hüften gestemmt, und schnaubt wütend. »Der eine stellt sich extra dumm, um mich zu provozieren, und der andere macht einen auf Mr. Unverwundbar… lächerlich!«
Ich kann mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als er mir die Sachen aus der Hand reißt und mich von meinem Platz auf dem Sofa verscheucht. Er setzt sich neben den reichlich verdutzten Manu und fängt an, die durchsichtige Flüssigkeit auf einen Wattebausch zu verteilen.
»Ich brauche das wirklich nicht«, murmelt Manu noch einmal, doch Marc schnaubt nur bedrohlich und so schweigt er lieber.
Marc greift nach seinem Handgelenk. Er zieht den starken, sehnigen Arm zu sich heran. Vorsichtig legt der den Wattebausch auf die roten Wunden. Manu beißt die Zähne zusammen, als der Alkohol auf der entzündeten Haut brennende Schmerzen verursacht.
»Halt still!«, fordert ihn Marc leise auf. Er beugt sich tief über Manus Arm und tupft vorsichtig über die gerötete Haut.
Manu zuckt nun nicht mehr zusammen. Er beschwert sich auch nicht. Sein Blick ruht auf dem Mann, den er so sehr liebt und der ihm gerade ganz nah ist. Zärtlich tasten seine Augen über Marcs Gesicht und das schwarze Haar. Marc muss diese Blicke spüren, denn seine Wangen haben sich verräterisch gerötet.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sie sich gerade fühlen. Der Geruch des anderen ist so deutlich wahrnehmbar. Seine Körperwärme. Das Prickeln, das seine Berührungen, seine Haut in einem auslösen… Dieses irre Kribbeln… überall…
Rasch drehe ich mich um und schleiche aus dem Wohnzimmer. Ich bin mir sicher, sie haben mein Verschwinden gar nicht bemerkt. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen gehe ich zurück in die Küche. Das Essen ist mittlerweile fertig und Janosch und Uwe sitzen am Küchentisch.
»Setz dich, Kleiner«, fordert mich Uwe freundlich auf. »Nimm dir eine Portion!«
»Wie geht es den beiden?«, fragt Janosch neugierig.
Ich grinse noch breiter. »Gut…«
57. Kapitel
Von Müttern, dem perfekten Timing und anderen Problemen
Seit einer halben Stunde robbe ich nun schon auf Knien über den Parkettboden des Wohnzimmers. In der linken Hand halte ich ein Kehrblech, in der rechten einen ziemlich abgenutzten Handbesen. Ich komme mir vor wie Aschenputtel, der man aufgetragen hat, den Ballsaal mit einer Zahnbürste zu reinigen. Nur, dass ich keine Tauben oder Spatzen oder sprechende Mäuse
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