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Chaosprinz Band 2

Chaosprinz Band 2

Titel: Chaosprinz Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja 'libbyreads' Kober
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Augen bohren sich weiter in meine. »Ich kann das jetzt nicht. Lass uns ein andermal darüber reden.«
    »Natürlich, wir können uns ja morgen für fünf Minuten zusammensetzen und ich erzähle dir dann, was du hören willst. Wie wäre es zum Beispiel mit ein paar belanglosen Floskeln über die Schule? Du kannst so tun, als würde es dich interessieren, und mich dann die nächsten zwei Wochen beruhigt ignorieren.«
    »Willst du mir vorwerfen, ich wäre ein schlechter Vater?« Seine Stimme klingt seltsam gebrochen.
    »Willst du mir sagen, du wärst ein guter?« Tränen laufen mir die Wangen herunter. Wir schweigen.
    »Geh in dein Zimmer«, sagt er leise. Ich bewege mich nicht. Stumm stehe ich auf der untersten Treppenstufe und sehe ihn an. »Geh jetzt in dein Zimmer.«
    »Du kennst mich nicht. Du weißt nichts über mich. Ich bin dir egal.« Ich weine.
    »Du sollst in dein Zimmer gehen. Ich kann das jetzt nicht.«
    »Ich bin schwul.«
    Er starrt mich an. Es ist so still… nichts ist zu hören… nicht einmal unser Atmen… Vielleicht haben wir in diesem Moment auch damit aufgehört…
    »Geh jetzt in dein Zimmer«, haucht er mit rauer Stimme.
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe?« Ich zittere.
    »Verdammte Scheiße, Tobias, ich will, dass du jetzt verschwindest, verstehst du. Geh in dein Zimmer!« Er schreit.
    Ich drehe mich um und steige die Treppe nach oben. Heulend. Und heulen tue ich auch noch, als ich endlich in Noresund liege, das Gesicht fest in die Kissen gepresst.

34. Kapitel
    Stolz und Vorurteil
    »Wir haben uns letzte Woche mit den drei Anthropologen und Philosophen Max Scheler, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen beschäftigt. Alle drei haben versucht, eine der größten philosophischen Fragen der Geschichte zu beantworten: Was ist der Mensch? Ich habe Ihnen einen Text aus dem Journal für Philosophie kopiert, den ich Ihnen nun austeilen möchte. Bitte lesen Sie ihn aufmerksam durch und notieren Sie sich die einzelnen Punkte, mit denen die Anthropologen versucht haben, die menschliche Existenz und ihre Sonderstellung gegenüber der Tierwelt zu begründen.«
    Frau Golinsky geht durch die Reihen und legt jedem Schüler drei aneinander geheftete Blätter auf den Tisch. Im Ethikunterricht sitze ich in der letzten Reihe. Außer mir haben sich nur noch sechs andere für Ethik entschieden. Ein wirklich kleiner Kurs. Im Grunde ist das super. Wir diskutieren viel und jeder hat die Möglichkeit, frei seine Meinung zu sagen und sich zu einem Thema zu äußern. Und Frau Golinsky ist eine sehr gute Lehrerin. Klug und trotz ihrer Strenge immer fair.
    Diese zwei Stunden am Dienstagmorgen gehören zu den Highlights meiner Schulwoche. Ja, ich muss zugeben, ich freue mich jedes Mal auf den Unterricht. Nur heute nicht. Heute würde ich den höchstwahrscheinlich wahnsinnig interessanten Text, den Frau Golinsky mir eben gereicht hat, am liebsten zur Seite schieben, meinen schweren Kopf auf die kühle Tischplatte legen und einfach nur schlafen.
    Ich fühle mich abscheulich. Meine Augen brennen vom vielen Heulen, meine Glieder sind steif und schmerzen und mein Magen zieht sich immer wieder in unangenehmen Krämpfen zusammen, weil ich heute Morgen einfach nichts essen konnte.
    Ich bin ganz früh aufgestanden und mit dem Bus zur Schule gefahren. Ich wollte niemanden sehen. Und so bin ich bereits eine Dreiviertelstunde vor Unterrichtsbeginn in der Schule gewesen. Seitdem sitze ich hier auf diesem Platz und starre stumm vor mich hin.
    Die sechs anderen lesen den langen Text und streichen eifrig einzelne Passagen und Abschnitte an. Ich bin immer noch beim ersten Absatz.
    Zum dritten Mal fange ich an zu lesen. Zum vierten Mal… Zum fünften Mal… Mann, das sind doch nur Buchstaben, Wörter, Sätze… Warum bin ich nicht in der Lage, sie zusammenzusetzen und ihren Sinn zu erfassen?
    Ich habe mich vor Pa geoutet. Hm, kann man das überhaupt als Outing bezeichnen? Wir haben uns gestritten und ich warf ihm diesen einen Satz ganz unvermittelt an den Kopf. Ich bin schwul. Von allen Situationen war dies wahrscheinlich die am wenigsten geeignete. Keine Ahnung, wo dieser Impuls plötzlich herkam. Vielleicht wollte ich ihn schocken… wie kindisch…
    Seufzend stütze ich meinen Kopf mit dem Arm ab, lege das Kinn in die Handfläche und male kleine Kreise auf den Rand des Zeitschriftenartikels. Den Text habe ich immer noch nicht gelesen. Mann, wenn ich das ganze Chaos in meinem Leben nicht bald auf die Reihe bekomme, werden meine

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