Charlie Chan macht weiter
ihm einen regelrechten Schock. Es war ein bärtiger Franzose, der wie der Türsteher vom »Ritz« in einer prachtvollen Uniform mit Goldlitzen prunkte. Die beiden Männer befanden sich in einem vertraulichen Gespräch; ihre Barte berührten sich fast, und Loftons Miene war besorgt.
Als er aufsah, entdeckte er Duff, und ein Schatten huschte über seine Züge. »Ah – Inspector! Sie sind aber fix. Ich hatte Sie nicht so bald erwartet.«
»Sie hatten mich erwartet?« fragte Duff verblüfft zurück.
»Selbstverständlich. Darf ich Ihnen Monsieur le Commissaire vorstellen? Und das ist Inspector Duff von Scotland Yard, Monsieur Henrique.« Er wandte sich wieder Duff zu. »Dieser Gentleman ist der hiesige Polizeikommissar, wie Sie zweifellos an seiner Uniform bereits erkennen konnten.«
Der Franzose eilte auf Duff zu und ergriff seine eine Hand. »Ich freue mich so über diese Begegnung! Denn ich bin ein ganz großer Bewunderer von Scotland Yard. Doch bitte ich Sie, in diesem Fall nicht zu streng zu urteilen, Monsieur Duff. Berücksichtigen Sie die Dummheit, mit der wir konfrontiert wurden! Blieb der Leichnam unangetastet liegen? Nein. Hat man die Waffe unangerührt gelassen? Nein. Alle – alle haben sie angefaßt – der Concierge, zwei Hotelpagen, ein Sekretär… Fünf oder sechs Personen. Es ist fast unmöglich…«
»Einen Moment, bitte!« unterbrach ihn Duff. »Ein Leichnam? Eine Waffe?« Er wandte sich Lofton zu.
»Was ist passiert?«
»Das wissen Sie nicht?« fragte Lofton erstaunt zurück.
»Natürlich nicht.«
»Aber ich glaubte – jetzt verstehe ich erst. Sie waren bereits unterwegs. Nun, Inspector, Sie kommen höchst gelegen. Der arme Walter Honywood hat sich letzte Nacht auf dem Gelände dieses Hotels getötet.« Duff verschlug es kurz die Sprache. Walter Honywood hatte sich umgebracht, während Scotland Yard auf dem Weg zu ihm gewesen war. Zweifellos ein schlechtes Gewissen. Erst hatte er Drake getötet und dann sich selbst. Doch war das nicht alles zu einfach? Duff hatte ein ungutes Gefühl.
»Aber hat Monsieur Honywood sich wirklich selbst umgebracht?« fragte der Kommissar. »Leider, Inspector Duff, können wir das nicht mit Sicherheit sagen. Zwar lag die Pistole neben ihm, als wäre sie aus seiner Hand gefallen, aber die Fingerabdrücke. -Ich bin begierig, die Ansicht eines Scotland-Yard-Mannes darüber zu hören.«
»Sie haben keinen Abschiedsbrief vorgefunden?«
»Leider nein. Wir haben sein Apartment bereits durchsucht, und jetzt bin ich hier, um diese Prozedur noch mal zu wiederholen. Ich wäre überglücklich, wenn Sie sich mir anschließen würden.«
»Ich werde gleich bei Ihnen sein«, versprach Duff. Woraufhin sich der Kommissar verneigte und zurückzog.
Duff wandte sich noch einmal an Dr. Lofton. »Bitte, erzählen Sie mir alles, was Sie darüber wissen!«
Sie setzten sich auf ein Sofa.
»Wir sind gestern morgen hier eingetroffen. Am Nachmittag beschloß Honywood, rüber nach Monte Carlo zu fahren. Er lud Mrs. Luce und Miß Pamela Potter ein, ihn zu begleiten. Es war sechs Uhr abends, als ich gerade hier in der Lobby mit Fenwick sprach – unter uns, die größte Pestbeule –, und Mrs. Luce und das Mädchen durch die Seitentür dort drüben traten. Ich fragte sie nach ihrem Ausflug, und sie sagten, sie hätten ihn sehr genossen. Honywood sei noch draußen am Tor und würde den Fahrer des Wagens bezahlen, teilten sie mir mit, und gingen dann nach oben. Fenwick fuhr fort, mich zu belästigen. Plötzlich hörte ich draußen einen scharfen Knall, aber ich zollte ihm keine Beachtung. Der Auspuff eines Wagens oder vielleicht ein Reifen, der geplatzt ist, dachte ich. Im nächsten Moment stürmte Mrs. Luce vom Lift her auf mich zu. Gewöhnlich ist sie eine der ruhigsten Frauen, doch in diesem Augenblick schien sie höchst erregt zu sein…«
»Haben Sie irgend etwas hiervon dem Polizeikommissar erzählt?« warf Duff ein.
»Nein. Ich wollte es lieber für Sie aufbewahren.«
»Gut. Fahren Sie fort! Mrs. Luce war durcheinander…«
»Äußerst. ›Ist Mr. Honywood schon hereingekommen?‹ fragte sie mich. Ich starrte sie an. ›Mrs. Luce – was ist denn passiert?‹ ›Sehr viel‹, erwiderte sie. ›Ich muß Mr. Honywood sofort sehen. Was kann ihn nur aufgehalten haben?‹ Ich erinnerte mich wieder an den scharfen Knall. Ein Schuß, wurde mir plötzlich klar. Ich rannte hinaus, gefolgt von Mrs. Luce. Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, und diese sparsamen Franzosen hatten
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