Charlie Chan macht weiter
sie mein Telegramm in fieberhafte Erregung versetzt, und die Erklärung ließ sehr lange auf sich warten. Aber die Postverbindung, Inspector… Sie müssen der Post die Schuld zuschieben. Ich konnte schlecht den Inhalt dieses Briefes telegrafieren. In diesem geheimnisvollen Orient ist hinter jeder Tamarinde ein Spion zu vermuten.
Wo war ich stehengeblieben? Ich glaube, wir liefen gerade in Aden ein. Von dort aus dampften wir dann quer Über den Indischen Ozean bis nach Bombay. Die Stimmung in der Gruppe begann ein bißchen gereizt zu werden. Am Anfang ist eine solche kleine Gesellschaft eine große, glückliche Familie. In unserem Fall hat sich das alles durch gewisse Vorkommnisse am Beginn der Reise etwas verschoben, so daß die Kameradschaft und gegenseitige Liebe und Achtung ihren Höhepunkt in Italien und Ägypten erreichte. Jeder war überaus zutraulich, bis allmählich – als das Wetter heißer wurde – unsere Leidenschaft füreinander abzukühlen begann. Jetzt betritt niemand von uns mehr einen Raum, ohne sich vorher vergewissert zu haben, daß sich – gottlob – kein anderes Mitglied der Gruppe darin aufhält.
In Bombay sagten wir dem lieben, alten Schiff auf Wiedersehen und wankten ins »Taj Mahal Hotel«. Und was glauben Sie, wen wir in der Lobby antrafen? Mr. Fenwick und seine schweigsame Schwester aus Pittsfield, Massachusetts. Wie es scheint, haben sie in Neapel eine Kreuzfahrt gebucht – auf einem der großen Wunderschiffe. Zumindest haben sie uns das gesagt, und da wir so ein Schiff im Hafen hatten liegen sehen, nehme ich an, daß es die Wahrheit war. Der kleine Norman war unausstehlich. Er fragte uns, ob wir noch mehr Morde gehabt hätten, und hielt uns einen langen Vortrag über die Vorteile seiner Methode, zu reisen. Doch wir waren so glücklich, ein – verhältnismäßig – neues Gesicht zu sehen, selbst so eines wie Mr. Fenwicks, daß wir lammfromm lauschten.
Wir blieben ein paar Tage in Bombay und fuhren dann über die Berge in Richtung Kalkutta. Ich habe den Taj Mahal gesehen und mir eine schreckliche Erkältung geholt. Schließlich erreichten wir unser Ziel. Indien hatte uns alle ein bißchen traurig gestimmt, und fast wünschten wir, es würde so ein Land nicht geben. In Kalkutta ereignete sich dann etwas höchst Seltsames. Womit ich endlich zu meiner im Telegramm angedeuteten Geschichte komme.
An unserem letzten Morgen in Kalkutta versammelte Dr. Lofton uns in einem Juwelierladen auf der Chowringhee Road. Er war ganz versessen darauf, uns dort hinzutreiben. Ich vermute, er bekommt für jeden Verkauf eine Provision. Doch letztlich war ich froh, mitgekommen zu sein. Der Besitzer hieß, glaube ich, Imri Ismali. Er besaß die prachtvollsten Juwelen, die man sich nur vorstellen kann. Diamanten, Rubine… Aber das interessiert Sie natürlich nicht. Sadie Minchin schnappte geradezu über, doch selbst Maxi wurde etwas bleich, als er sie einkaufen sah.
Die meisten anderen blickten sich indessen nur flüchtig um und verließen den Laden wieder. Ich hatte jedoch eine Diamantenkette entdeckt, und meine Willenskraft versagte. Ein kleiner, verwittert aussehender Verkäufer mit hängenden Lidern und einem höchst schurkischen Ausdruck bemerkte meinen Zustand und saugte sich an mir fest. Während ich noch zauderte, trat Stuart Vivian an mich heran und erklärte, er würde sich ein wenig auskennen mit Diamanten. Zwar wären es gute Steine, aber sie seien nicht so viel wert, wie mein Piratenfreund dafür verlangte. Nach einem heftigen Debakel begann der Preis erstaunlich zufallen, bis Mr. Vivian schließlich zustimmte, ehe ihn Irene Spicer wegzerrte.
Als der Verkäufer den »fiktiven« Preis von der Halskette entfernte, drückte sich hinter ihm ein anderer Kerl vorbei und sagte etwas in einer fremden Sprache zu ihm. Und mitten aus dem fremdartigen Wortschwall loderten plötzlich zwei Worte heraus: »Jim Everhard!« Er sagte es so klar und deutlich wie ein Rundfunksprecher.
Mein Herz stand still. Der Verkäufer mit den hängenden Lidern hielt inne und blickte neugierig zur Tür hin. Dort war niemand. Ich holte rasch meine Traveller-Schecks hervor und sagte, als ich sie dem Verkäufer überreichte, beiläufig:
»Ach, Sie kennen Jim Everhard auch?« Das war ein großer Fehler. Die Frage hätte ich stellen sollen, bevor er die Schecks zufassen bekam. Denn nun behauptete er seelenruhig, er würde kein Englisch verstehen, und komplimentierte mich hinaus.
Ich ging spazieren und überlegte, was ich tun
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