Charlston Girl
sensationell! Ich meine... es ist unglaublich!«
Sie muss ja nicht gleich dermaßen überrascht klingen. Aber es ist schön, dass sich jemand für mich freut. Sadie war eher miesepetrig, was die ganze Sache anging. Kein einziges Mal hat sie gesagt, dass sie sich für mich freut, und jedes Mal, wenn ich gestern Abend eine SMS von Freunden bekam, hat sie nur geschnauft. Selbst jetzt mustert sie mich abfällig von ihrem Platz auf dem Aktenschrank. Aber es ist mir egal, denn ich habe meinen allerwichtigsten Anruf noch vor mir, und ich freue mich richtig darauf. Ich wähle die Nummer, lehne mich zurück und warte, dass Dad abnimmt. (Mum geht nicht ran, wenn es klingelt, weil Entführer dran sein könnten. Weiß der Geier.)
»Michael Lington.«
»Oh, hi, Dad. Hier ist Lara«, sage ich mit der entspannten Stimme, die ich den ganzen Morgen eingeübt habe. »Ich wollte euch nur kurz mitteilen, dass ich wieder mit Josh zusammen bin.«
»Was?«, sagt Dad nach kurzer Pause.
»Ja, wir haben uns gestern zufällig getroffen«, sage ich leichthin. »Und er hat gesagt, dass er mich immer noch liebt und einen Riesenfehler begangen hat.«
Wieder ist es still am anderen Ende der Leitung. Vermutlich fehlen Dad vor Staunen die Worte.
Ha! Welch grandioser Augenblick! Er dürfte nie vorübergehen. Nach all den Wochen, in denen mir alle erklärt haben, ich mache mir was vor. Ich sollte ihn abhaken. Die haben sich alle getäuscht.
»Sieht so aus, als hätte ich doch recht gehabt, was?«, rutscht es mir heraus. »Ich hab doch gesagt , dass wir zusammengehören.« Ich werfe Sadie einen selbstgefälligen Blick zu.
»Lara...« Dad klingt nicht so glücklich, wie ich es erwartet hätte. Tatsächlich klingt er eher etwas gestresst, wenn man bedenkt, dass seine jüngste Tochter eben in den Armen des Mannes, den sie liebt, das Glück gefunden hat. »Bist du absolut sicher , dass du und Josh...« Er zögert. »Bist du sicher, dass er es auch so gemeint hat?«
Ehrlich. Meint er etwa, ich denk es mir nur aus, oder was?
»Du kannst ihn ja anrufen, wenn du willst! Du kannst ihn fragen! Wir haben uns zufällig getroffen und haben einen Kaffee zusammen getrunken und über dies und das geplaudert, und dann hat er gesagt, dass er mich immer noch liebt. Und jetzt sind wir wieder zusammen. Genau wie du und Mum.«
»Tja.« Ich kann hören, wie Dad schwer ausatmet. »Das ist ja... unglaublich. Wunderbare Neuigkeiten.«
»Ich weiß.« Gegen mein selbstzufriedenes Lächeln bin ich machtlos. »Da sieht man es mal wieder. Beziehungen sind kompliziert, und andere sollten sich nicht einmischen und glauben, sie wüssten alles besser.«
»Allerdings«, sagt er schwach.
Armer Dad. Ich glaube, ich habe ihm fast einen Herzinfarkt beschert.
»Hey«, sage ich, auf der Suche nach etwas, womit ich ihn aufheitern kann. »Dad. Gestern musste ich gerade an unsere Familie denken. Und ich habe mich gefragt, ob du vielleicht noch Fotos von Großtante Sadies Haus hast.«
»Wie bitte, Liebes?« Dad klingt, als käme er nicht hinterher.
»Dieses alte Anwesen, das abgebrannt ist. In Archbury. Du hast mir mal ein Foto davon gezeigt. Hast du es noch?«
»Ich glaube schon.« Aus Dads Stimme spricht leiser Argwohn. »Lara, du bist ja richtig besessen von Großtante Sadie.«
»Ich bin nicht besessen«, sage ich verärgert. »Ich interessiere mich nur für meine Vorfahren. Ich dachte, du würdest dich darüber freuen.«
»Ich freue mich ja!«, sagt Dad eilig. »Natürlich tue ich das. Ich bin nur... überrascht. Bis jetzt hast du dich noch nie für unsere Familiengeschichte interessiert.«
Da hat er nicht ganz unrecht. Letztes Weihnachten kam er mit einem alten Fotoalbum an, und ich bin eingeschlafen, als er es mir zeigen wollte. (Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich ziemlich viele Likörpralinen intus hatte.)
»Ja, nun... Menschen ändern sich, oder? Und jetzt interessiere ich mich eben dafür. Ich meine, dieses Foto ist das Einzige, was von unserem Haus geblieben ist, oder?«
»Nicht ganz«, sagt Dad. »Der Eichen-Sekretär vorn am Eingang stammt aus diesem Haus.«
»Bei uns im Flur?« Überrascht starre ich den Hörer an. »Ich dachte, in dem Feuer ist alles verloren gegangen.«
»Einiges konnte gerettet werden.« Ich merke, dass Dad sich leicht entspannt. »Die Sachen wurden eingelagert, und blieben es jahrelang. Keiner brachte es übers Herz, sich damit zu beschäftigen. Bill hat alles geregelt, nachdem dein Großvater gestorben war. Er hatte sonst
Weitere Kostenlose Bücher