Chasm City
nicht«, sagte ich. »Wenn er bereits gewarnt war, warum, zum Teufel, musste er sich dann förmlich zur Zielscheibe machen? Wenn ich nur eine Winzigkeit schneller gewesen wäre, hätte ich ihn erwischt.«
»Vielleicht ist er Ihnen nur zufällig über den Weg gelaufen«, meinte Pransky.
Zebra sah ihn verächtlich an. »In einer Stadt dieser Größe? Nein; Tanner hat Recht. Das Treffen kam zustande, weil Reivich es so eingerichtet hatte. Und da ist noch etwas. Sieh mich an, Tanner. Fällt dir etwas auf?«
»Du hast dein Aussehen verändert.«
»Richtig. Und das ist nicht weiter schwierig, glaube mir. Auch Reivich hätte das tun können – nichts Drastisches; nur so viel, um in der Öffentlichkeit nicht sofort erkannt zu werden. Ein paar Stunden unter dem Messer hätten genügt. Selbst ein halbwegs fähiger Blutverschneider hätte das hinbekommen.«
»Dann verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagte ich. »Es ist, als wollte er mich verspotten. Als hätte er gewollt, dass ich ihn töte.«
»Vielleicht war es so«, sagte Zebra.
Es hatte Augenblicke gegeben, da hatte ich geglaubt, ich würde diesen Raum nie wieder verlassen; Pransky und Zebra hätten mich nur hierher gebracht, um mich zu töten.
Pransky war eindeutig ein Profi, und auch Zebra war der Tod dank ihrer Verbindung zur Sabotagebewegung nicht fremd.
Aber sie ließen mich am Leben.
Wir fuhren mit einer Gondel in Zebras Wohnung. Pransky hatte anderswo zu tun. »Wer ist er?«, fragte ich, als wir allein waren. »Bezahlst du ihn dafür, dass er dir hilft?«
»Er ist Privatdetektiv«, sagte Zebra und ließ ihren Mantel, ein Häufchen schwarzen Stoffs, zu Boden fallen. »Das ist zurzeit ein blühendes Geschäft. Im Baldachin gibt es Konkurrenzkämpfe – Fehden, stille Kriege, manchmal zwischen den Familien, manchmal auch innerhalb eines Clans.«
»Du dachtest, er könnte dir helfen, mich aufzuspüren.«
»Und ich hatte mich nicht geirrt.«
»Ich weiß noch immer nicht, warum, Zebra.« Wieder sah ich aus dem Fenster in den Abgrund hinab. Er kam mir vor wie ein Vulkan, an dessen Rand eine verdammte Stadt ihren Untergang erwartete. »Es sei denn, du hättest irgendwie Verwendung für mich – aber das wäre leider verfehlt. Ich denke nicht daran, mich in irgendwelche Machtspielchen innerhalb des Baldachins hineinziehen zu lassen. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier.«
»Um einen offenbar unschuldigen Menschen zu töten.«
»Das Universum ist grausam. Darf ich mich setzen?« Ich nahm Platz, bevor sie geantwortet hatte. Einer der beweglichen Sessel hatte sich beflissen unter mein Gesäß geschoben. »Im Grunde meines Herzens bin ich immer noch Soldat, und solche Fragen zu stellen ist nicht meine Aufgabe. Wenn ich erst damit anfange, beeinträchtigt das meine Leistung.«
Zebra verstaute ihren eckigen, schlaksigen Körper in den schwellenden Polstern des Sessels gegenüber und zog die Knie bis zum Kinn hoch.
»Jemand ist hinter dir her, Tanner. Deshalb musste ich dich finden. Du bist in Gefahr. Du musst die Stadt verlassen.«
»Das kommt nicht unerwartet. Reivich hat sicher so viele Helfer angeheuert, wie er nur kriegen konnte.«
»Hier aus der Stadt?«
Eine merkwürdige Frage. »Ich denke schon. Man würde doch niemanden anheuern, der sich in der Stadt nicht auskennt.«
»Wer immer hinter dir her ist, stammt nicht von hier, Tanner.«
Ich erstarrte und veranlasste damit das Sesselinnere, eine Vibrationsmassage einzuleiten. »Was weißt du?«
»Nicht allzu viel. Aber Dominika sagte, jemand hätte nach dir gefragt. Ein Mann und eine Frau. Sie benahmen sich, als wären sie noch nie hier gewesen. Wie Fremdweltler. Und es lag ihnen sehr am Herzen, dich zu finden.«
»Ein Mann hatte bereits vorher nach mir gesucht«, sagte ich. Ich dachte an Quirrenbach. »Er gab sich als Fremdweltler aus und folgte mir aus dem Orbit hierher. Bei Dominika habe ich ihn abgeschüttelt. Möglicherweise hat er sich Verstärkung geholt und ist zurückgekommen.« Vielleicht mit Vadim. Aber man musste schon blind sein, um Vadim für eine Frau zu halten.
»Ist er gefährlich?«
»Wer von Lügen lebt, ist immer gefährlich.«
Zebra ließ sich von einem der an Deckenschienen laufenden Servomaten ein Tablett mit Karaffen verschiedener Größe und Farbe bringen und schenkte mir einen Becher Wein ein. Damit spülte ich den widerlichen Geschmack der Stadt hinunter und dämpfte den Lärm in meinem Kopf.
»Ich bin sehr müde«, sagte ich. »Vor einem Tag hast du mir Asyl
Weitere Kostenlose Bücher