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Cheng

Cheng

Titel: Cheng
Autoren: Heinrich Steinfest
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bei dem amerikanischen Vertreter dieses florierenden Unternehmens um ihren ehemaligen Schwiegersohn Erwin Chaloupka handelte, der eine exklusive Bar in Las Vegas betrieb und der unter anderem ausgezeichnete Kontakte zu einer Gruppe von Exilkubanern unterhielt, die natürlich lebhaftestes Interesse an intelligenten bakteriologischen Waffen zeigten, an Erregern, die möglicherweise zwischen Castro-Treuen und Castro-Untreuen unterscheiden konnten (und darüber hinaus, nicht zu vergessen, auch auf der richtigen Seite standen).
    Die Baumann glaubte, diesmal wäre sie dem Geissler einen Schritt voraus. Aber er wußte bereits, daß sie die Papiere besaß. Und gar keine Frage – er fand es höchst amüsant, wie des Schicksals weise Perfidie (an die er glaubte, wie man an die Gerechtigkeit der Ungleichheit glaubt) sie beide wieder zusammengeführt hatte.
    Ein junger Mann erschien in Baumanns Büro, ein freundlicher Mensch, beste Manieren, und ersuchte sie, ihm die Unterlagen zu übergeben, die die so unglücklich verstorbene Frau Urban sich unrechtmäßig angeeignet habe. Es gebe nun einmal gewisse Spielregeln, an die sich alle zu halten hätten, das habe schlußendlich auch Frau Urban eingesehen und die nötigen Konsequenzen gezogen. Und nun sei es an ihr, Dr. Baumann, die Sache zu einem redlichen Ende zu führen und die Papiere an seinen Besitzer zurückzuerstatten, in dessen Vertretung er, der junge, höfliche Mensch, erschienen sei. Und dann bot er ihr eine sechsstellige Summe an, zur Begleichung der Unkosten, wie er betonte. Und betonte auch noch, daß es überaus dumm wäre, dieses Angebot abzulehnen. (Und das war es in der Tat. Man darf ja nicht glauben, nur weil man ein paar Beweise in der Hand hält, kann man die Lukascheks und Geisslers zu Fall bringen. Das sogenannte Aufdecken von Skandalen funktioniert nur, ist es ein von den maßgebenden Stellen sanktioniertes beziehungsweise initiiertes. Die Aktivitäten der Aufklärungsjournalisten, später dann der Justiz harmonieren stets mit den Interessen der Machtstrategen. Skandalaufdeckungen und Skandalaufbereitungen dienen der Demontage im Grunde längst Demontierter. Sie dienen der Eitelkeit der bezahlten Aufdecker, der Unterhaltung des Publikums, sie dienen als Beweis für die Märe von der Selbstreinigungskraft der Demokratie, vor allem aber dienen sie der Vertuschung der Gegenwart. Kein aufgedeckter Skandal ohne Aufdeckungsplanung durch hohe und höchste Stellen. Kein Journalist gerät durch Zufall oder durch Recherchen an sein angebliches Beweismaterial, sondern es wird ihm von den Skandalplanern zur Verfügung gestellt. Wer tatsächlich glaubt, man könnte außerhalb der Skandalplanung maßgebender Stellen einen Skandal aufdecken, einfach so wild drauflos aufdecken, als wäre Aufdecken so frei wie die Kunst, der – so hätte man zumindest früher gesagt – gehört nach Rußland geschickt. – Siehe Bryce Mathews Nixoneering , Das Wesen der Demontage .)
    Auf jeden Fall saß Lukaschek zu dieser Zeit fest im Sattel, erst recht Geissler, unser aller Gott in Weiß, der im Fernsehen mit Witz und Charme so häßliche Dinge wie Bronchialkatarrhe oder eingebildete Schwangerschaften familienfreundlich deklamierte.
    Lukaschek war der Wunschkandidat der Generäle. Und Geissler die personifizierte schulmedizinische Integrität. Die Brisanz der Situation bestand ja nicht darin, daß Maria die Papiere besaß, sondern daß sie sie weitergeben konnte, an jemanden, der zu einem späteren Zeitpunkt sehr wohl einen Nutzen daraus ziehen würde. Wäre sie damit aber zur Presse gegangen, hätte man sie im besten Fall hinausgejagt (die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse hat einen hervorragenden Platz in der Bestenliste der schönsten Lügen). Aber wie gesagt, die Papiere waren nicht wertlos, sie blieben eine Prophylaxe. Und es gab wohl Leute, die sich dieser geschickter bedienen würden als die arme Frau Urban.
    Wäre Geissler nicht im Spiel gewesen, Maria hätte den Preis noch ein wenig in die Höhe getrieben, die Unterlagen übergeben und das Geld selbstlos oder auch weniger selbstlos investiert.
    Aber da war eben Geissler, und da war dieses unsinnige Bedürfnis, sozusagen ihren Finger zurückzuverlangen. Also lehnte sie ab.
    Der junge, höfliche Mann zeigte sich untröstlich ob ihrer Unvernunft, die ihn überrasche und enttäusche, immerhin, von einer ehemaligen KZ-Insassin hätte er sich mehr Realitätssinn erwartet.
    Auf jeden Fall würde sie die Folgen nun selbst zu
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