Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
Schimmer, der aus diesem Dunkel des Wassers auf mich zu kam, ließ mich innehalten. Ich blieb ganz still und beugte mich hinunter. War es mein Gesicht, das sich unter dem Eis im Wasser spiegelte? Ein blasses Antlitz, umrahmt von hellem Haar.
Das schimmernde Licht kam nähe r. Jetzt konnte ich es erkennen und in mir begann sich alles zu drehen. Ich sah mich, oder war es Valerie? Direkt vor mir, im Wasser. Ihr Gesicht verzog sich panisch, Luftblasen stiegen empor und wanderten unter der kristallenen Eisschicht umher. Ihr Körper wand sich, die Arme ruderten haltsuchend umher. Plötzlich sank sie wieder hinab. Oder war ich es? Nein, ich stand doch hier, in diesem Boot. Oder nicht? Louisa schrie mir wie aus weiter Ferne etwas zu, das mein Verstand nicht mehr registrieren wollte.
Mich unsicher ausbalancierend , stand ich nun in dem schwankenden Boot und zog mir hektisch meinen Pullover über den Kopf, schlüpfte aus der Jeans und den Socken. Ich dachte nicht mehr, sah auf das gefrorene Wasser hinab, das sich weiß und still vor mir erstreckte. Nur in der Tiefe tobte dieser Kampf, der sich immer weiter nach unten bewegte! Der schnelle Schlag meines Herzens trieb mich an. Alles krampfte sich zusammen, als ich durch die schneidende Eisschicht in das lähmend kalte Wasser eintauchte.
Orientierungslos schwebte ich in der Schwerelosigkeit des Sees. Ich sah meine silbrigen Haare, wie sie um mich herum wogten und die Luftblasen, die wütend an die Oberfläche eilten. Spürte den stechenden Schmerz des eisigen Wassers. Gespenstisch begannen die Seegräser auf mich zuzukommen. Ich schrie und das letzte bisschen Luft entwich aus meinen Lungen. Das weiße Gesicht tauchte so plötzlich vor mir auf, dass ich panisch zurückruderte. Ein Lächeln. Ihre weißen Hände legten sich auf meine Wangen. Ruhe breitete sich in mir aus. Wir sanken hinab und dann sah ich weitere Bilder. Eine Szene wie aus einem Albtraum. Ich erkannte meine Mutter sofort. Jemand drückte sie unter Wasser. Ich sah ihre vor Panik geweiteten Augen und die schwarzen Hände, die sie unter Wasser hielten. Das seidige Kleid, das ihren schwangeren Leib einhüllte und nun geisterhaft um ihre Figur schwebte, als ihr Widerstand erlahmte. Kleinste Luftbläschen hingen in ihren Wimpern und verließen sie jetzt, um vor ihren blicklosen Augen emporzusteigen. Ihr Körper wurde ganz ruhig.
Nein!
Ich sank weiter. Wollte meine Hände nach ihr ausstrecken. Sie an mich ziehen, konnte mich aber nicht rühren. Nur meine Lippen bewegten sich. »Mam.« Dann riss sie jemand von mir fort. Nur kurz erkannte ich meinen Vater, wie er sie mit angsterfülltem Gesicht aus dem Wasser und an die Frühlingsluft zog. Ich sah durch den Schleier des Seewassers den blauen Himmel und die bunte Vielfalt der Blumen an Land. Dad bettete sie auf seine Arme. Ich konnte sie genau erkennen, ihre Silhouette, wie sie sich entfernten. Sie sollten nicht ohne mich gehen. Ich strampelte hektisch, um nicht tiefer zu sinken.
D er Schmerz in meinen Lungen schnitt sich in jede Faser meines Körpers und meine Beine erlahmten. Ich konnte sie nicht mehr spüren, spürte gar nichts mehr. Dann schrie ich auf, verfolgte diese letzten Luftbläschen aus meinem Körper auf ihrem Weg nach oben und kämpfte mit den Armen um jeden Zentimeter, den ich nicht weiter sank. Mein Blut rauschte laut in meinen Ohren. Ich öffnete den Mund und ließ das eiskalte Wasser schmerzhaft meine Lungen fluten. Dann wurde es dunkel.
Knisternd und knackend brach ich durch die Oberfläche und spuckte Wasser, um gierig und würgend die Luft in meine Lungen zu pressen. Etwas oder Jemand hielt mich fest. Ein Engel? Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich dachte an Lennox. Ich wurde mit einer rasenden Geschwindigkeit durch das brechende Eis gezogen, das scharf in meine Haut schnitt. Dann ein Ruck.
Ich stöhnte auf , als ich unsanft auf dem Uferboden aufkam und sofort wieder hochgerissen wurde. Dann verschwamm alles zu einem Wirrwarr aus Stimmen und Farben.
»Mama«, krächzte ich und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Dunkle Punkte tanzten vor meinen Augen. Als ich sie wieder öffnete, befand ich mich zitternd in Decken gehüllt im großen Salon vor dem Kamin. Die Miene meines Vaters war undurchdringlich. Wasser rann aus seinem Haar über sein Gesicht und sammelte sich am Kragen seines durchgeweichten Hemdes. Ungerührt sah er mich an. Das Blau seiner Augen wirkte hart, wie eingefroren, und er bohrte den Blick in meinen,
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