Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
durch den eingefrorenen Raum gleiten. Dabei blickte sie auch in das Gesicht der Dunkelhaarigen, die sie mit unverhohlener Neugierde betrachtete. Eiswasser schoss Hanna durch die Venen, ihr Kopf schmerzte, als würde ein Bienenschwarm im Inneren wüten. Die Welt kam mit einem Ruck wieder in Gang. Und ihre Welt versank in Dunkelheit ...
Weicher wattiger Nebel umhüllte mein Gehirn. Von Weitem hörte ich Stimmen und das Wummern von Musik. Ich konnte die Stimmen aber nicht greifen, nicht verstehen, was sie sagten. Ich wollte mich lieber wieder in die Dunkelheit abgleiten lassen. Die Welt war so friedlich. Ich wollte diesen Frieden so dringend, und nichts anderes. Ich hörte die Stimmen lauter werden, aufdringlicher. Jemand nannte meinen Namen. Ich hieß doch Hanna, oder etwa nicht? Mein Frieden wurde jäh zerrissen, als mein Arm durch Feuer verbrannt wurde. Schnell schlug ich die Augen auf und sah ungläubig auf ihn herab. Eine Nadel steckte in ihm und es wurde eine Flüssigkeit in die Vene injiziert. »Hanna, hier bleiben!« Ein Mann in weißer Kleidung schlug mir ins Gesicht und gab Befehle.
Etwas weiter hinter ihm lugte Maike mit ungesunder Gesichtsfarbe über seine Schulter. Sie hatte geweint, ihr Make-up war verlaufen und ihre Haare waren zerzaust. Sie drückte meine Hand.
»Du siehst schrecklich aus«, kam es krächzend aus meiner Kehle und ich schluckte trocken .
»Mein Gott, Hanna, dann musst du dich erstmal sehen«, erwiderte sie halb schluchzend, halb lachend und strich sich mit der Hand, die leicht zitterte, eine verirrte Locke hinters Ohr .
»Hanna, wir nehmen Sie jetzt mit ins Krankenhaus. Sie hatten einen Anfall und waren lange bewusstlos«, sprach der Mensch in Weiß, der eben noch versucht hatte, mir Gesichtsfarbe auf die Wangen zu prügeln.
Anfall? Wie meinte der das? Anfälle hatte ich öfter mal. Wutanfälle, Fressanfälle, Anfälle von Putzwahn … Gut, die seltener, aber Anfälle kannte ich. Die Trage, auf der ich lag, wurde bereits vorwärtsgeschoben. Maike lief neben mir und lächelte mir aufmunternd zu, allerdings wollte es ihr nicht so recht gelingen.
»Wo ist Evi?«, krächzte ich weiter. Paul tauchte in meinem Sichtfeld auf. »Die kotzt, auf dem Klo.«
»Wo bin ich?«
»Wir sind noch im Pandora «, sagte Paul. Spätestens jetzt war mir auch nach Kotzen zumute.
Ich wachte vom pfeifenden Atem des Mädchens neben mir auf. Wir waren in einem schlicht eingerichteten Z immer eines Krankenhaus es , vermutete ich. Ich hatte bestimmt schon Stunden in diesem merkwürdigen Zwischenraum zwischen Schlafen und Wachen verbracht, in dem mein Gehirn sämtliche Eindrücke des letzten Abends auseinandernahm und in allen erdenklichen Variationen wieder zusammenfügte, was mir allerdings nicht wirklich half. Man hatte mir erzählt, dass ich ohne ersichtlichen Grund um zwei Uhr in der Nacht auf der Tanzfläche angefangen hatte zu schreien, als würde man mich mit siedendem Öl übergießen. Ich hätte um mich geschlagen und Jasper ein blaues Auge verpasst. Bis ich schließlich zuckend zusammengebrochen war. Nun ja, mir fiel da ein Grund ein, aber über den wollte ich dann doch lieber Stillschweigen bewahren. Sonst würden die Ärzte mir wahrscheinlich gleich eine Zwangsjacke verpassen und dann hieß es: Ade, normales Leben, guten Tag, bunte Pillen.
Evi und Maike hatten sofort einen Krankenwagen geordert. Paul hatte mich ins Büro des Clubs getragen, bevor die ganzen schaulustigen Nachteulen sich über uns hermachen konnten. Die Ärzte waren der Meinung, dass es sich eventuell um einen epileptischen Anfall gehandelt haben könnte. Deshalb wollten sie mich noch zu einigen Tests dabehalten. Onkel Henry hatte sich tierisch aufgeregt und wollte mich am liebsten gleich heute Morgen wieder mitnehmen. Lauthals hörte ich ihn mit der Ärztin streiten, bis er dann doch nachgab. Ich hatte gar nichts dagegen. Ein bisschen ausruhen und schlafen. Niemandem begegnen, mit dem man über diese Blamage reden musste. Gut so.
Das Mädchen neben mir war erst vierzehn und hatte sich bei einem Reitunfall die Gräten gebrochen. Sie quasselte ununterbrochen über Pferde und Ponyhof und Pferde und Ponys und nochmals Pferde. Es ist nicht so, dass ich Pferde nicht mochte. In England hatte ich selber eines. Einen superlieben Irish Tinker, mit dem ich über die heimischen Wiesen geflogen bin. Aber dieses Mädchen ging mir dermaßen auf die Nerven, dass ich Henry verfluchte, weil er nicht einfach die Ärzte niedergeschlagen
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