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Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Titel: Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Kamp
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und mich mit nach Hause genommen hatte.
    Am zweiten Tag besuchten mich Maike und Evi endlich. Maike saß an meinem Bett und mümmelte mit viel Hingabe an den Schokoladenherzen, die sie mir mitgebracht hatte. Ihre lustigen Locken tanzten wieder leicht um ihr Gesicht, das glücklicherweise wieder ganz gesund aussah. Evi kitzelte mit ihrer schmalen kleinen Hand an meinem Fuß herum.
    »Hey, Hanna, ich denke, du solltest mal ein bisschen mit uns spazieren gehen. Wir sind hier ja nicht auf der Fettweide. Und wenn ich mir Maike anschaue, könnte die auch ein wenig Bewegung vertragen.«
    Maike verzog empört das Gesicht und brummelte mit vollem Mund: »Wie meinst du das?«
    Wir prusteten alle drei gemeinsam los, bis uns die Tränen kamen und ich pellte mich aus dem Bett, um mir etwas überzuziehen.
    »Wir könnten auch in die Cafeteria gehen und uns ein Stück Kuchen genehmigen.« Maike sah uns auffordernd an.
    »Ich hab gar kein Geld hier.« B edauernd verzog ich mein Gesicht.
    »Ich lad’ dich ein, mein Schatz.« Maike reichte mir meine Strickjacke und schob mich zur Tür. Wir schlenderten durch die tristen Krankenhausgänge und stiegen in den Fahrstuhl, um zur Cafeteria zu kommen. Ich hatte richtig Appetit auf ein großes Stück Kuchen mit ganz viel Sahne. Mir lief selbst bei dem simplen Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen. Surrend setzte der Lift sich endlich in Bewegung und ich kam der Erfüllung meiner Träume immer näher.
    In der Cafeteria angekommen, heftete ich mich sofort an die Scheibe der Kuchenauslage, studierte die einzelnen Stücke und entschied mich freudig für einen Apfelkuchen mit Sahne. Maike und Evelyn bestellten das Gleiche und kamen hinter mir her. Wir setzten uns an einen gemütlichen freien Platz am Fenster – na ja, so gemütlich, wie Krankenhaus-Cafeterien halt sein können, wenn man von dem ganzen Elend um sich herum einmal absieht. Ich fühlte mich noch nie sonderlich wohl inmitten von leidenden Menschen. Es belastete mich, machte mich traurig. Ich neigte dazu, über jeden Schmerz des anderen meine Tränen zu vergießen, was natürlich albern war, wenn man nicht auch begann, aktiv zu werden und zu versuchen die Probleme der anderen zu lösen. Was in den meisten Fällen unmöglich schien. Wenn ich mich zu sehr in das Leid eines anderen hineinversetzte, fraß es mich auf. Henry meinte, dass ich eine besondere Neigung zur Empathie hätte. Empathie nennt man die Befähigung, sich in die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen hineinversetzen zu können. Er meinte, ich würde irgendwann glücklich darüber sein, dass es mir leichtfiel, mich in andere hineinzufühlen. Mir war nicht klar, was für Vorteile es mir bringen sollte, mit einem ständig blutenden Herzen herumzulaufen und doch nichts gegen das Leiden anderer tun zu können.
    Wir aßen genüsslich und schnatternd unsere Kuchen auf. Maike lehnte sich stöhnend in ihrem Stuhl zurück und rieb sich ihren Bauch.
    »Man, bin ich voll.« Sie gähnte herzhaft.
    »Mark ist wieder in der Schule und hat nach dir gefragt.« Evelyn sah mich viel zu wachsam an.
    Ich stocherte in meinen Sahneresten herum. »Gut, dass es ihm besser geht.« Ich spürte Evelyns Blick immer noch auf mir. Ich wollte nicht über Mark reden. Evelyn war von Anfang an nicht begeistert gewesen, dass ich etwas mit Mark anfangen wollte. Sie erwähnte ständig mir und auch anderen gegenüber, dass das niemals ein gutes Ende nehmen würde. Bei ihr waren meine empathischen Fähigkeiten beinahe nutzlos. Ihre Stimmungen wechselten häufig sehr schnell und meistens war sie sehr gut darin, eine kontrollierbare Maske zu tragen, die ihr heute aber zu entgleiten schien.
    »Willst du eigentlich noch was von ihm?«, fragte sie seltsam unruhig und überspielte ihre angespannte Haltung mit einem albernen Lachen.
    Ich war ein wenig verwirrt. »Nein, es ist aus zwischen mir und Mark.« Zögerlich schob ich den Stuhl zurück und stand auf.
    »Ich glaub, ich sollte wieder auf’s Zimmer, bald ist Visite.« Jegliche Lust auf Geplauder war unvermittelt versiegt und ich konnte nur noch an Mark und den Fremden denken. Also brachten die beiden mich wieder zurück auf mein Zimmer und verabschiedeten sich.
     
    Nach einer Reihe von Untersuchungen war klar, dass mir nichts fehlte außer vielleicht einem neuen Gehirn. Allerdings war ich sehr zufrieden mit mir, denn ich hatte keine weiteren Halluzinationen. Zumindest ging ich mittlerweile davon aus, dass es nichts anderes war, was ich gesehen hatte.

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