Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
erledigen und mich nach Amerika bringen?« Ich funkelte ihn an. Angst, dass er zustimmen könnte, kroch mir ins Bewusstsein und ich versuchte, sie abzuschütteln.
Er drehte sich mir zu, blickte forschend drein und kletterte mit einer überraschenden Schnelligkeit zu mir nach hinten. Schnell zog ich mich zurück und sah ihn aufmerksam an, damit beschäftigt, mich nicht erneut zu verschlucken. Zögernd nahm er meine Hand, was mich noch mehr überraschte.
»Hanna, wir ziehen das hier jetzt gemeinsam durch.« Er starrte mich mit einem unergründlichen Ausdruck an, der meinen Puls beschleunigte.
»Ich gehe dir auf die Nerven ... das alles hier, oder?« Ich ließ angespannt die Luft aus meinen Lungen entweichen und blinzelte unsicher. Ein kurzer Schmerz flackerte in seinen schönen dunklen Augen auf. »Hanna, du verstehst nicht …« Er unterbrach sich und blickte angestrengt aus dem Fenster in die Dunkelheit der Nacht, um mich danach mit starker Intensität anzusehen. »Ich fühle mich dir verbunden und wir werden das hier meistern und alles wird gut «, sagte er so sanft, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste mich weinend in seine Arme werfen. Ich senkte den Blick und sah verlegen auf meine Hände, doch er legte seinen Finger unter mein Kinn und hob mein Kopf sacht an. Schüchtern versuchte ich kurz, seinem Blick auszuweichen und sah jetzt doch in seine funkelnden Augen. Ich schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und wurde mit einem frechen Grinsen belohnt, das eine tiefe Wärme in mir entfachte. Er lehnte sich zufrieden zurück und nahm sich auch ein Brot. Ich wurde wieder ruhiger und stillte nun auch wieder meinen Hunger.
»Erzähl mir was von dir. Ich finde es ein wenig ungerecht, du weißt so viel über mich, Dinge, die ich vermutlich nicht einmal selber weiß. Und ich weiß gar nichts über dich«, stellte ich fest.
Schmunzelnd sah er mich an. »Ist das so, ja?«
»Ja, so ist das.« Ich lächelte ihn auffordernd an und unterdrückte den Impuls, ihm einen Knuff in die Seite zu geben.
»Was willst du wissen , Cherryblossom ?« Seine Hand schnellte vor, ich hielt den Atem an und er wischte mir behutsam einen Krümel aus dem Mundwinkel. Ich schloss unwillkürlich die Augen und wich ein wenig zurück.
»Wo bist du geboren? Ich habe gehört, wie du den Namen Merryweather gebraucht hast« , brachte ich konzentriert heraus. Nach einem kurzen Räuspern setzte er sich aufrecht hin, um mir ins Gesicht sehen zu können. »In England, Wales. Später lebten wir in Essex.«
»Und wieso kannst du so gut Deutsch sprechen?«
»Ich spreche auch Französisch«, feixte er überheblich grinsend , strich sich sein dichtes Haar aus dem Gesicht und fuhr dann fort: »Na gut. In Deutschland habe ich schon rund fünfzig Jahre gelebt, in den vierziger Jahren war ich hier hergezogen.«
»Wie alt bist du wirklich?«
»Das hatten wir doch schon, Cherryblossom.«
»Ja … ich weiß. Warum willst du es mir nicht sagen?« Ich bebte innerlich vor Neugierde.
»Ich bin zweihundertundelf.« Danach lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf eine Reaktion.
»Wow, dann hast du in der viktorianischen Zeit gelebt. Ich bin beeindruckt«, lachte ich und zog anerkennend die Augenbrauen hoch.
»Das braucht dich nicht zu beeindrucken. Es war nicht so romantisch, wie es sich anhört.« Er verspannte sich leicht, sein Gesichtsausdruck war nachdenklich und ernst.
Stockend hielt ich kurz die Luft an, bevor ich es wagte, die nächste Frage zu stellen. »Was ist mit deinen Eltern?«
Sein Blick war aus dem Fenster hinaus irgendwo in die Ferne gerichtet, weit weg. »Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Meine Mutter war eine Nymphe. Ein Naturgeist, ähnlich, wie du einer zu sein scheinst. Als ich acht war, habe ich sie verloren. Damals gab es vereinzelt Hexenprozesse in Essex und Umgebung. Das Tragische daran ist, dass meine Mutter ihre französische Heimat verlassen hatte, um solch einer Gefahr zu entgehen. Du musst wissen: In England, Schottland und Irland gab es wenige Menschen, die an so etwas wie Hexenwerk glaubten. Vielmehr war es der Glaube an Elfen und Kobolde, der verbreitet war. Diese mythischen Wesen wurden dort für seltsame Vorkommnisse aller Art verantwortlich gemacht, nicht Hexen oder Vampire.« Seine Stimme klang jetzt monoton und leise, ich hatte eine Ahnung von dem Schmerz, den er über den Verlust seiner Mutter verspürt haben mochte. Schwer schluckend sah ich angestrengt auf meine Hände. Wie schwer
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