Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
Worten zu kramen, um es möglichst nebensächlich anzusprechen. »Wegen eben …«, er winkte ab und ich stockte.
»Belassen wir es dabei.« Ich nickte und spürte die Gekränktheit, die ich mühsam fortgedrängt hatte, zurückschwappen.
»Ich hatte mal kurz was mit ihr.« Erheitert nickte er zu der Barfrau und sah mich abwartend an.
»So, wie es aussieht, hast du ein Händchen für Frauen«, meinte ich ironisch und sah ihn provokativ an .
»Sie ist ein Mensch, nicht wahr?«, fragte ich neugierig, obwohl es mir unpassend von ihm erschien, mir das jetzt zu erzählen. »Ja, richtig.« Er setzte sein Glas an die Lippen, um sein Grinsen zu unterdrücken.
»Du müsstest jetzt ja auch in der Lage sein, die Zeitwandler zu erkennen, oder?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. Ich widmete mich meinen nächsten Sekt und bemerkte kurz darauf bereits das wohlige warme Ziehen des Alkohols im Magen und in den Gliedern. Ich entspannte mich und meine Zunge wurde lockerer, was gefährlich werden konnte.
»Warum ein Mensch? Ich meine, wenn man mal vom Offensichtlichen absieht. Sie ist schön, hat tolle Haare und … Brüste ...« Lennox schmunzelte mich an und seine Hand flirtete mit meinem Rocksaum. »Warum willst du das denn wissen?«
»Sag es doch einfach«, beharrte ich und tat dennoch gleichgültig, meinen Blick in die tanzende Menge vertieft.
»Herrgott, was willst du hören, Cherryblossom? Ich bin auch nur ein Mann.« Amüsiert blitzte er mich an, als ich kurz zu ihm aufsah und mich dann schnell wieder abwandte.
»Jetzt mal was anderes: Kannst du mir sagen, wen du hier als Zeitwandler erkennst?« Aufmerksam sah ich mich um. An der Bar saßen zwei Männer, die sich unterhielten, offensichtlich menschlich. Ich ließ meine Augen über die Tanzfläche schweifen. In den Nebelfeldern konnte ich mehrere Paare erkennen und fünf Frauen, die alleine tanzten. Nur eine war auffällig. Sie bewegte sich lasziv, war hochgewachsen und das, was man im Allgemeinen als schön bezeichnete . Sie ließ ihre Hüften kreisen und strahlte eine starke Überlegenheit aus, die einen nahezu einschüchterte. »Die da vorne ist ein Zeitwandler.«
»Ausgezeichnet, Cherryblossom.« Er hob die Augenbrauen und nickte anerkennend. »Und was für einer?«
»Vielleicht eine Nymphe?« Ich riet wild drauf los, aber anscheinend hatte ich recht, denn Lennox nickte. »Und, fällt dir noch jemand auf?«
Ich suchte den Raum weiter ab. Vor dem DJ-Pult stand eine Gruppe Männer, die wie gebannt einer Frau lauschten, während sie affektiert irgendetwas erzählte. Sie hatte kurze schwarze Haare und nicht die grazile Anmut der anderen Frau, aber sie sprühte nur so vor Kraft und besaß eine einnehmende Präsenz, der man sich kaum entziehen konnte.
»Was ist mit der dort in der Traube von Männern? Vielleicht auch eine Nymphe?«
»Auch richtig, aber sie ist eine Baldanders. Jeder dieser Männer sieht in ihr eine andere Frau, jeder sieht, was er sich unter seiner Traumfrau vorstellt. Sie lullt sie ein und kann dann jeden dieser Männer mit nach Hause nehmen. Na ja, und dann … den Rest kannst du dir denken.« Er warf mir einen vielsagenden Blick zu.
»Was ist mit dem dort drüben, den mit den ganzen Tätowierungen?«, fragte ich und musterte eingehend den skurrilen Typen in Lederkluft und Piercings auf dem Barhocker. Neben mir hörte ich einen heiseren Laut, der sich irgendwie nach einem Erstickungsanfall anhörte, und stellte fest, dass sich Lennox vor Lachen den Bauch hielt.
»Ein Mensch. Nur, weil jemand bekloppt aussieht, ist er noch lange keiner von uns« , krächzte er und richtete sich unter zuckenden Lachern wieder auf. Unzufrieden nahm ich mein Glas, leerte es und stellte es schwungvoller als beabsichtigt auf dem Tresen ab .
Lennox musterte mich weiter von der Seite, während ich mich auf den Weg zur Tanzfläche machte. Ich bewegte mich langsam im Takt der Musik, schloss die Augen, begann, mich um die eigene Achse zu drehen. Den Kopf in den Nacken gelegt, ließ ich mich vom Rhythmus treiben. Meine Haare hatte ich links und rechts nur zu einfachen mädchenhaften Zöpfen zusammengebunden. Ich ließ mich von der Musik mitreißen und versuchte dabei, alle negativen Gefühle abzuschütteln. Mir waren Lennox taxierende Blicke nur allzu bewusst und so drehte ich mich von ihm fort, versuchte tanzend, den Kopf freizubekommen und mich vom wummernden Bass mitnehmen zu lassen, als ich plötzlich Hände auf meinen Schultern spürte und herumwirbelte. Mit
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