Cherubim
auf den Tisch warf. Dann lief er nach draußen auf den Flur.
»Wilhelm!«, hörte Lukas ihn rufen. »Das ist ja eine Überraschung!«
Er folgte dem Doktor auf den Flur und kam gerade rechtzeitig, um den überraschten Ausdruck in Hohenheims Gesicht zu sehen, mit dem er den Doktor musterte.
Hohenheim blinzelte ein paarmal. »Was glaubst du, für mich erst!«, meinte er.
»Komm!« Der Doktor führte Hohenheim in die Küche. »Setz dich doch. Wir haben uns so viel zu erzählen!« Der letzte Satz wurde abgeschnitten, als er mit Schwung die Tür hinter sich zuwarf.
Katharina stand im Flur, als habe sie plötzlich Wurzeln geschlagen. Mit keinem einzigen Wort, nicht einmal mit einem Blick hatte der Doktor sie bedacht, war einfach an ihr vorbei auf Hohenheim zugegangen, als sei sie aus Luft.
Jetzt krampfte sie ihre Hände in die Falten ihres Rockens. Um ihre Lippen lag ein angespannter Zug, und in diesem Moment tat sie Lukas einfach nur leid.
»Ich gehe nach meiner Mutter sehen«, flüsterte sie, wandte sich ab und verschwand in Mechthilds Kammer. Auch sie drückte die Tür ins Schloss hinter sich, aber bei ihr geschah es behutsam. Mit einem leisen Klicken.Lukas blieb noch einen Augenblick allein auf dem Flur stehen, dann schüttelte er missmutig den Kopf. Er hatte das Bedürfnis nach ein wenig frischer Luft, und so trat er durch die Haustür ins Freie auf den Hausstein hinaus. Eine Weile lang tat er nichts weiter, als mit geschlossenen Augen den feinen, nebelartigen Regen auf seinem Gesicht zu spüren.
»Entschuldigt!«
Er öffnete die Augen und bemerkte einen Mann in einem schwarzen Mantel, der an die gegenüberliegende Hauswand gelehnt dastand. Ein großer, ebenfalls schwarzer Hut beschattete das Gesicht des Mannes, der nun vor ihn hintrat. »Würdet Ihr mir freundlicherweise eine Frage beantworten?«
Die geschliffene, höfliche Sprache des Mannes passte nicht so recht zu dem etwas verwegenen Aussehen, das ihm eigen war.
»Vielleicht«, meinte Lukas vorsichtig.
»Würdet Ihr mir verraten, wem dieses Haus gehört?«
Lukas wandte sich um und warf einen Blick an der verzierten Fassade nach oben. »Oh. Natürlich, das ist kein Geheimnis. Einem Doktor der Medizin. Er ist erst seit kurzem in Nürnberg.«
»Wie ist sein Name?« Plötzlich hatte die Stimme des Fremden einen Gutteil ihrer Freundlichkeit verloren und klang schneidend.
Lukas ertappte sich dabei, dass er einen Schritt rückwärts wich. Die Tür hielt ihn auf, und er spürte die hölzernen Leisten, die auf halber Höhe zur Verzierung angebracht waren, gegen seine unteren Rippen drücken. »Egbert Jacob«, sagte er.
Der Fremde schwieg. Lange starrte er Lukas nur unter der Krempe seines Hutes hervor an, und Lukas kam sich vor wie ein Kaninchen, das einer Schlange begegnet war.
»Egbert Jacob«, wiederholte der Fremde dann. Er griff an seine Hutkrempe und zog den Hut vom Kopf. Er hatte lange, glänzend schwarze Haare, die er zu einem Zopf gebunden trug, und Augen von einem leuchtenden Grün, in denen etwas Hartes funkelte.
Lukas wollte etwas sagen, aber er ahnte, dass er nur ein Krächzen hervorbringen würde, also nickte er einfach.
Da tippte sich der Fremde an die Stirn. Es war eine seltsame Geste, voller Spott wirkte sie und gleichzeitig auch verunsichert. DiesemMann, das war deutlich sichtbar, hatte überhaupt nicht gefallen, was er soeben gehört hatte.
»Ich danke Euch!«, sagte er. Jetzt klang er wieder freundlich.
»Gern!« Lukas’ Hand tastete nach der Türklinke in seinem Rücken.
Er sah zu, wie der Fremde sich umwandte und in einer Gasse verschwand. Erst als er fort war, bemerkte Lukas, dass ihm Schweiß auf der Stirn stand.
Kopfschüttelnd wischte er ihn fort.
Richard lehnte am Fenster seines Kontors und starrte in den schnurgerade fallenden Regen.
Nachdem Katharina vor ein paar Tagen so übereilt davongestürzt war, hatte er einige Zeit gebraucht, um sich klar darüber zu werden, was er nun tun sollte. Er war auf dem Sprung gewesen, um zu ihr zu gehen, als Silberschlägers Büttel gekommen war und ihn zu einem Verhör ins Rathaus geholt hatte.
Richard ballte die Hände zu Fäusten, als er an das Gespräch dachte. Allein die Erinnerung daran erfüllte ihn mit grimmiger Befriedigung.
Silberschläger hatte in seinem Kontor gesessen und auf ihn gewartet. Als der Büttel Richard zu ihm hereingeführt hatte, war er mit einem scheinheiligen Lächeln aufgestanden und hatte einen kleinen Gegenstand zur Seite geschoben, den er offenbar bis
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