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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Blutes bedeutete. Katharina begann, leise zu schluchzen, während der Mönch ein Gebet murmelte. Sie beide wussten es auch.
    Richards Schwerthieb hatte die große Ader in Egberts Bauchraum durchtrennt. Es gab keinerlei Hoffnung auf Rettung.
    »Nicht weinen!«
    Richard war so konzentriert auf die furchtbare Wunde, dass ihm entgangen war, wie Egbert die Augen aufgeschlagen hatte.
    Auch Katharina hob den Blick. Mit einem Schluchzen, das Richard durch Mark und Bein ging, nahm sie eine Hand von der Wunde und näherte sie Egberts Gesicht.
    Er war blass, aber noch war er bei Bewusstsein. Und offenbar hatte er das Bedürfnis zu reden. »Es ist Gottes Wille«, sagte er leise. »Du hast dein Leben geführt, während ich nicht da war, und er scheint es gutzuheißen.« Ein schwaches Lächeln glitt über sein Gesicht. Ganz kurz streifte sein Blick Richard, und das Lächeln verschwand.
    Katharina schüttelte den Kopf. »Nein, Egbert!« Das Blut sprudelte durch ihre Finger, und sie presste wieder beide Hände auf die Wunde.
    Ein finsterer Ausdruck erschien auf Egberts Miene. »Dann sieh es als Strafe, mit der Gott mir meine vielen Sünden vergilt.«
    Richard horchte auf.
    Egbert nickte. »Ich habe dich angelogen.« Seine Stimme zitterte bereits ein wenig, aber noch sprach er flüssig und ohne Pausen. »Ich befinde mich schon länger in Nürnberg.«
    Nur am Rande bemerkte Richard, dass Lukas neben ihn getreten war. Auch Kunigunde und Arnulf hatten sich genähert, so dass sie nun zu viert um Egbert und Katharina standen.
    »Ich hatte meine Hände im Spiel bei den Ereignissen im August«, sprach Egbert weiter. »Ich wusste, dass ich für meine Versuche an speziellen Urin kommen musste, und darum half ich dem Engelmörder.«
    Richard riss die Augen auf. »Ihr habt Nürnbergs Brunnen vergiftet?«
    »Nein.« Egbert schloss die Augen, öffnete sie jedoch sogleich wieder. »Ich half nur dem Täter.« Er wirkte nicht, als verspüre er Bedauern angesichts dieser Tatsache. Sehr ruhig sah er Katharina an. »Ich habe es für dich getan. Ich wollte dir helfen.«
    »Du hast Menschen getötet?« Katharina lehnte sich ein wenig zurück, aber dabei verrutschten ihre Hände auf Egberts Wunde. Raschbeugte sie sich wieder vor und presste stärker. Ihre Finger waren inzwischen in Blut getaucht, und die Lache unter Egberts Leib wuchs zunehmend.
    »Es diente einer guten Sache«, erwiderte Egbert. Ein harter Zug erschien um seinen Mund, und Richard hatte den Eindruck, als könne er nicht begreifen, dass Katharina das nicht genauso sah. Kurz flackerte in seinen Augen so etwas wie Härte auf, wurde jedoch sofort von der Schwäche des nahenden Todes hinweggenommen.
    »Nichts rechtfertigt Mord!«, flüsterte Lukas. Sein Gesicht war so bleich, als habe er selbst die tödliche Wunde empfangen.
    »Doch!«, widersprach Egbert, mit kräftigerer Stimme jetzt.
    »Früher hättet Ihr das anders beurteilt!« Lukas schüttelte den Kopf. Ihm war anzusehen, dass er versuchte zu begreifen, was seinen Herrn und Lehrer so sehr verändert hatte. »Früher habt Ihr Leben gerettet und nicht ausgelöscht!«
    »Ich wollte retten.« Egbert machte eine Pause, bevor er weitersprach: »Katharina. Sie allein ...« Er lächelte wehmütig, und in diesem Moment kam er Richard auf eine seltsam unbestimmte Weise wahnsinnig vor. »Matthias, Hoger, Pömer, Zeuner – sie alle starben für den guten Zweck!«
    »Den guten Zweck ...« Ganz hohl klang Katharinas Stimme. Richard spürte, wie sie verzweifelt versuchte, sich das Ganze zu erklären, eine Entschuldigung zu finden für das, was ihr Mann getan hatte.
    Richard jedoch beschäftigte etwas ganz anderes. »Zeuner?«, hakte er nach. »Jörg Zeuner, der ehemalige Lochschöffe?«
    Da sah Egbert ihn an. Wieder flackerten Zorn und Eifersucht in seinen Augen, doch er nickte nur. »Ja. Vielleicht ist mein Tod jetzt die Vergeltung dafür, dass er sterben musste.«
    Richard begriff, was er meinte. »Ihr habt ihn ermordet? Mit Eurer eigenen Hand.«
    »Mit einem Dolch, um genau zu sein. In der Türmerstube. Zeuner war einer der wenigen, der direkt durch meine Hand starb.«
    Katharina begann wieder zu schluchzen, und Richard war sich nicht sicher, aus welchem Grund nun. Entsetzen und Trauer zeichneten gleichermaßen ihr Gesicht.
    Richard verspürte das Bedürfnis, sie vor dem Weiteren zu schützen, aber es ging nicht: Er musste genau wissen, was geschehen war. Hier bot sich ihm die einmalige Gelegenheit, den Nürnberger Juden zu helfen. Er hatte

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