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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Frustriert biss Katharina sich auf die Unterlippe. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
    Da ließ Cornelius sich an der Wand nach unten gleiten. Grinsend schielte er von dort zu Katharina hinauf, formte seine rechte Hand zu einer Röhre und machte eine eindeutige Geste direkt vor seinem Schritt.
    Schlagartig schoss Katharina die Röte ins Gesicht. »Du meinst ...« Vor Verlegenheit blieb ihr die Spucke weg.
    »’ne Hure!«, rief Cornelius und lachte wieder, so laut diesmal, dass es Katharina in den Ohren dröhnte. »Sie ist nicht seine richtige Schwester, weil er keine ja Verwandten hat. Ist als Kind aufer Treppe vonner Kirche gefunden worden. Genau wie seine Schwester.«
    »Weißt du ihren Namen?«, fragte Katharina.
    Er schien gefallen an seiner Geste gefunden zu haben, völlig versunken starrte er auf seine Hand, die sich noch immer in eindeutiger Manier auf und ab bewegte. »Ihren Namen?« Versonnen klang er jetzt, und seine Linke tastete nach den Knöpfen, die seine Hose verschlossen.
    Katharina spürte, wie ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. »Lass das!«, fuhr sie Cornelius an, aber der ließ sich nicht davon abbringen, sein Hosenlatz aufzuknöpfen.
    »Nenn mir ihren Namen!«, befahl sie schrill. Sie wich einen Schritt rückwärts, versuchte verzweifelt, ihren Blick von Cornelius zu lassen.
    Da hielt er mitten in der Bewegung inne und blickte Katharina ins Gesicht. »Ihr Name?« Seine Linke wanderte in seine Hose.
    Katharina schluckte gegen die Übelkeit an, die sie zu überkommen drohte. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief aus der Höhle.
    Den Ruf, den Cornelius hinter ihr herschickte, hörte sie durch das Rauschen in ihren Ohren kaum.
    »Dagmar!«, schrie er. »Ihr Name ist Dagmar!«Niklas hatte das Gasthaus nicht geöffnet, obwohl der Einbruch der Dunkelheit dicht bevorstand, und so saß Maria in der zunehmenden Dämmerung unbehelligt auf ihrem Schemel und starrte blicklos vor sich hin. Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie erkannt, dass Arnulf sie in eines der Zimmer im oberen Stockwerk geschafft und auf das Bett dort gelegt hatte. Sie war eine Weile auf der Bettkante sitzengeblieben und dann nach unten in die Schankstube gegangen, wo sie sich schweigend und nachdenklich niedergelassen hatte. Ebenso schweigend hatte Niklas ihr ein Bier hingestellt.
    Arnulf war fort, und Maria verspürte Bedauern angesichts dieser Tatsache. Eine Weile suhlte sie sich in diesem Selbstmitleid, um der furchtbaren Erinnerung an die tote Freundin um jeden Preis auszuweichen. Dann jedoch kam es ihr unangemessen vor, um sich selbst zu trauern, statt um Dagmar, und in diesem Moment kehrten die Erinnerungen an die Leiche zurück. Die blasse Haut, das getrocknete Blut auf Unterleib und Wangen. Die leeren Augenhöhlen.
    Das ganze Blut ...
    Maria stöhnte auf und kippte vornüber. Fast wäre sie mit der Stirn gegen den Rand des Bierglases geschlagen. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich abfangen.
    Niklas stand hinter der Theke und schaute sie besorgt an.
    Um die furchtbaren Bilder loszuwerden, konzentrierte sich Maria auf das Glas vor sich. Der Schaum darauf hatte eine seltsame gelbliche Farbe und strömte einen leicht muffigen Geruch aus. Ein Zeichen dafür, dass das Wasser, mit dem das Bier gebraut worden war, nicht ganz sauber gewesen war.
    Maria spürte, wie ihr schlecht wurde. Sie versuchte ein Würgen zu unterdrücken, doch es war stärker als sie. Hastig sprang sie auf und stürzte durch die Hintertür nach draußen in den Hof.
    Sie übergab sich so lange auf den Müllhaufen, bis ihr Magen anfing zu schmerzen und ihre Kehle von der bitteren Galle brannte. Nach Stunden, so kam es ihr vor, richtete sie sich keuchend auf und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Geht es wieder?«
    »Arnulf!« Erfüllt von grenzenloser Erleichterung fuhr sie herum. »Du bist wieder da!«
    Im nächsten Moment zog er sie an sich, umfing sie mit seinen Armen. Sie konnte seine großen Hände auf ihrem Rücken spüren, deren Wärme, die durch ihr Mieder drang und ihre klamme Haut glühen ließ.
    Es tat gut, ihn zu spüren. So gut, dass Maria nun endlich die Tränen in die Augen schossen, die sie vor lauter Entsetzen bisher nicht um Dagmar hatte weinen können.
    Sie schluckte schwer.
    »Scht!« Arnulf wischte ihr über die Wangen. »Nicht! Komm!«
    Er nahm ihre Hand wie die eines kleinen Kindes, und dann führte er sie zurück in die Gaststube. Aber statt sich dort mit ihr wieder an den Tisch zu setzen, auf dem noch

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