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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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immer ihr Bier stand, zog er sie weiter. Zu der Treppe, die seitlich aus der Schankstube ins obere Stockwerk führte.
    Marias Schritt stockte. Arnulf stieß die erste der Türen auf und lotste Maria hindurch.
    Maria lag mit dem Kopf auf Arnulfs nacktem Bauch und lauschte den Geräuschen, die seine Gedärme machten, während ihr die Tränen lautlos aber stetig über das Gesicht rannen.
    Auch Arnulf hatte geweint, als er kurz zuvor Maria mit der Intensität eines Ertrinkenden an sich gezogen und sie dann aufs Bett geworfen hatte. Sie waren zu dritt gewesen, während seine Hände den Weg erst unter Marias Rock, dann auch unter ihr Mieder gefunden hatten. Dagmar war bei ihnen gewesen, und sie waren sich dessen beide deutlich bewusst gewesen.
    Jetzt lauschte Maria in sich hinein, um zu ergründen, was der wahre Grund für ihre Tränen war. Sicher, sie trauerte um die Freundin. Aber sie trauerte auch, und das verursachte ihr ein ziemlich schlechtes Gewissen, um eine vertane Gelegenheit. Seit langem schon war sie heimlich in Arnulf verliebt. Sie hatte sich vorgestellt, wie es sein mochte, wenn er sie an sich zog und liebte. Und jetzt war es passiert, und es war so gänzlich anders gewesen als all ihre schwärmerischen Phantasien, die Maria sich trotz der Härte ihrer Profession bewahrt hatte. Es hatte nichts Zärtliches an sich gehabt, war ihr vorgekommen wie ein reiner Akt der Verzweiflung. Und jetzt empfandsie dort, wo früher die Sehnsucht nach Arnulfs Körper gesessen hatte, eine große Leere.
    Über seine nackte Brust hinweg versuchte sie, einen Blick in sein Gesicht zu werfen.
    Seine Augen waren halb geschlossen, doch sie konnte die Pupillen hinter den gesenkten Lidern sehen. Sie waren weit und rund.
    »Was denkst du?«, fragte er.
    Sie zuckte zusammen. Fast hätte sie ihm von ihren Gefühlen erzählt, doch sie biss sich auf die Zunge. »An Dagmar«, sagte sie stattdessen.
    Ein Seufzer entstand in seiner Brust, so tief, dass es ihn schüttelte, als er ihn herausließ. »Du hast sie gemocht, oder?«
    Maria nickte nur. Ihre Haare lagen wie die Schlangen der Medusa auf seiner blassen Haut. Er griff nach einer der Strähnen und wickelte sie sich um den Finger.
    »Und du?«, fragte Maria. Sie zitterte vor der Antwort.
    »Ich habe sie geliebt«, sagte er leise.
    Maria schloss die Augen.
    Ihre Hände tasteten unter die Matratze, wohin sie Mimi gestopft hatte, als Arnulf vorhin begonnen hatte, sie auszuziehen. Die Puppe steckte zur Hälfte unter dem rauen Stoff, doch Marias Fingerkuppen fuhren nur über ihren struppigen Haarschopf. Es gelang ihr nicht, die Puppe mit der Faust zu umschließen, und auf keinen Fall wollte sie Arnuf auf sie aufmerksam machen. Also ließ sie die Hand, wo sie war, und konzentrierte sich auf das Gefühl, dass die Puppe an ihren Fingerspitzen verursachte.
    Etwas wuchs in ihrer Brust. Es fühlte sich an wie ein fester, schmerzhafter Knoten, der sich ausdehnte, größer und größer wurde, bis er ihre Rippen schmerzen ließ und ihr Herz ebenso. Sie wusste, sie hatte es schon einmal gefühlt, doch sie konnte sich einfach nicht daran erinnern, wann das gewesen war.
    Mit einem Anflug von Unbehagen streckte sie sich stärker, um Mimi doch noch in die Finger zu bekommen.
    Arnulf stieß ein schläfriges Brummen aus, und sie erstarrte wieder zu Regungslosigkeit.
    Der Knoten, der sie komplett ausfüllte, wuchs noch einmal, wurdezu einer Faust, die sich um ihr Herz schloss und es quetschte, bis Maria kaum noch Luft bekam. Sie mühte sich, ihre Gedanken auf Dagmar zu richten, rief sich sogar die furchtbaren leeren Augenhöhlen zurück ins Gedächtnis.
    Du sollst nicht verlangen nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört!, keifte eine Stimme in ihrem Kopf.
    Ruckartig richtete Maria sich auf.
    Im Zimmer war es warm, weil ein kleiner Ofen gründlich angeheizt worden war und eine behagliche Wärme abstrahlte. Dennoch fror Maria plötzlich erbärmlich.
    »Was hast du?« Auch Arnulf setzte sich hin. Fragend betrachtete er Maria, und sie wurde sich plötzlich der Tatsache bewusst, dass sie nackt war. Rasch langte sie nach ihrem Rock und bedeckte damit ihre Blöße.
    »N...ichts.« Sie stotterte, und an der Art, wie Arnulf die Augenbrauen zusammenzog, sah sie, dass er ihr nicht glaubte.
    Sie wollte etwas sagen, hatte den Mund schon auf, als die keifende Stimme sie zornig anfuhr: Er gehört dir nicht, du dumme Pute! Wie kannst du es wagen, zu glauben, dass er dir jemals gehören könnte?
    Arnulf hatte sich jetzt

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