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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ich weiß nicht!« Kalt und federleicht legte sie eine Hand auf Katharinas Unterarm. Ihr Blick war voller Mitleid, und alle Animositäten, die zuvor zwischen ihnen geherrscht hatten, waren für den Moment vergessen. Mit einer Geste, die in Katharinas Augen sehr zärtlich anmutete, strich Mechthild ihr über die Narben am Handgelenk. »Es gibt eine Zeit für alles«, sagte sie. »Vielleicht ist jetzt die Zeit, einige Menschen hinter uns zu lassen und nach vorne zu sehen.«
    Katharina war sich nicht sicher, ob sie von Bertram sprach, von Matthias oder von Egbert. Dennoch nickte sie. Ihre Lider brannten, und sie fürchtete, dass sie gleich anfangen würde zu weinen.
    »Scht«, machte Mechthild. Ihre Hand wanderte an Katharinas Arm nach oben, und in diesem Moment brachen alle Dämme.
    Schluchzend ließ Katharina sich von der Bettkante auf den Boden rutschen und legte den Kopf auf die Decke. Mechthild strich ihr über die vom Schnee noch feuchten Haare, und für einen Augenblick fühlte Katharina sich wieder wie ein Kind.

10. Kapitel
    »Guten Morgen, Herr!«
    Die zaghafte Stimme seines Dienstmädchens Greta riss Silberschläger aus einem Halbschlaf, in den er gefallen war, nachdem er noch vor Sonnenaufgang den Nachttopf hatte benutzen müssen.
    Mit einem missgelaunten Brummen antwortete er: »Morgen!« Dann erst öffnete er die Augen.
    Greta huschte mit ihren kurzen, völlig lautlosen Schritten durch die Kammer und zog die Vorhänge aus dunkelgrünem Samt auf, die die drei Fenster verdunkelten. Fahles Winterlicht flutete den Raum, ließ die Hölzer des Dielenfußbodens und der teuren italienischen Möbel glänzen.
    Silberschläger kniff die Augen wieder zu. Sein Kopf schmerzte leicht, aber das war nichts Besonderes. Er hatte am Abend zuvor wie so oft einen Becher Wein zu viel getrunken, weil er nur so die nagenden Sorgen vergessen konnte, die ihn plagten und ihm inzwischen fast jede Nacht den Schlaf raubten. Jetzt zahlte er die Zeche dafür.
    Er hörte Greta ganz in seiner Nähe hantieren und vermutete, dass sie sich um den Nachttopf kümmerte. So tief es ging, sog er Luft durch die Nase. Greta roch meistens nach dem Essen, das gerade in der Küche zubereitet wurde, und ein wenig nach dem frischen Aroma von Äpfeln.
    Der typische Geruch von sehr jungen Frauen.
    Ein Lächeln glitt über Silberschlägers Gesicht. »Komm her!«, befahl er und schielte unter halb geöffneten Lidern hervor.
    Greta erstarrte mitten in der Bewegung. Der Nachttopf schwebte zwischen Himmel und Erde, und der Deckel, den Silberschläger in der Nacht offenbar nicht richtig aufgelegt hatte, klapperte leicht, als sie erzitterte. Das entfachte schlagartig das Verlangen in Silberschläger.Er streckte den Arm aus, berührte Gretas Rock mit den Fingerspitzen. Mit einem Ruck stellte sie den Nachttopf zurück auf die Erde.
    »Rühr dich nicht!«, befahl Silberschläger.
    Sie gehorchte, und in ihren Augen konnte er Angst sehen.
    Silberschläger ließ seine Hand zwischen Gretas Oberschenkel gleiten. »Herr!« Ihre Stimme krächzte. »Eure Frau ...«
    »Meine Frau ist die Letzte, die mir verbieten könnte, dich zu ...«
    »Nein!«, fiel Greta ihm hastig ins Wort. »Das meine ich nicht. Frau Richhild erwartet Euch.«
    Die Lust in seinen Lenden ebbte so rasch ab, wie sie aufgetreten war. Er fluchte leise und beschloss, später am Tag einen zweiten Versuch zu unternehmen. Greta war noch so jung, keine fünfzehn Jahre. Und sie befand sich erst wenige Tage in seinem Haushalt. Er freute sich auf die Dienste, die sie ihm über ihre Hausarbeit hinaus noch würde bieten können.
    Als habe sie seine hitzigen Gedanken lesen können, trat Greta einen Schritt zurück. »Sie erwartet Euch zum Morgenmahl im Esszimmer.« Geschäftig begann sie Silberschlägers Kleidung für den Tag zurechtzulegen. Der Nachttopf stand völlig unbeachtet vor dem Bett.
    Silberschläger befand sich auf dem Weg ins Esszimmer, als vorn an der Tür der Klingelzug betätigt wurde. Greta eilte, um zu öffnen.
    »Ist dein Herr schon zu sprechen?«, hörte Silberschläger die vertraute Stimme von Klaus Eberlein.
    Unsicher schaute Greta über die Schulter in die Richtung ihres Herrn.
    »Kommt herein!«, rief der und schickte das Dienstmädchen mit einer knappen Handbewegung fort. Als sie in der Küche verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, bat Silberschläger Eberlein in sein Privatkontor.
    In diesem Raum, den er mit griechischen Malereien hatte schmücken lassen, die noch ein

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