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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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wollte von dir wissen, wie Dagmars Leiche vom Kloster hierhergekommen ist. Gelaufen wird sie ja kaum sein.«
    Arnulf zuckte zusammen. Dann rieb er sich über das Kinn, so dass die Bartstoppeln, die dort sprossen, ein raspelndes Geräusch von sich gaben. »Bürgermeister Zeuner hat inzwischen einen Nachfolger«, erklärte er. »Sein Name ist Gernot Silberschläger.«
    »Oh ja, den kenne ich«, grollte Richard. Er wollte noch etwas hinzufügen, aber Arnulf sprach bereits weiter.
    »Der Mann ist ein Widerling. Erst lässt er Dagmar ins Predigerkloster schaffen und kurz darauf gibt er Befehl, sie einfach sang- und klanglos in einem Armengrab zu verscharren. Das wollte ich verhindern.«
    Richard nickte nachdenklich. »Du hast jemanden bestochen?«, fragte er.
    »Zwei Büttel, die häufiger einmal für mich arbeiten. Sie haben sie aus dem Kloster wieder abgeholt und hierhergebracht.« Nachdem er das gesagt hatte, versank Arnulf für eine Weile in brütendes Schweigen.
    »Wozu brauchst du meine Hilfe?«, fragte Richard schließlich.
    Arnulf deutete mit dem Kinn auf Dagmar. »Ich habe mir geschworen, denjenigen zu finden, der sie umgebracht hat. Was ich vorher aber wissen muss, ist: Muss ich auch nach jemandem suchen, der mein Kind auf dem Gewissen hat?«
    Verwirrt sah Richard ihn an. »Dein Kind?«
    »Kurz bevor sie ermordet wurde«, erklärte Arnulf, »war sie bei mir und hat mir erzählt, dass sie ein Kind erwartet.«
    Richard rieb sich über die Stirn. »Und du könntest der Vater sein.«
    »Möglich wäre es.«
    Richard dachte nach. Langsam nur formte sich die Ahnung in seinem Kopf, was Arnulf von ihm verlangte.
    Der Nachtrabe sah, was in ihm vorging. Er presste die Kiefer zusammen, so dass die Muskeln an seinem Hals hervortraten. »Ich muss wissen, ob Dagmar schwanger war«, flüsterte er.
    Richard fuhr sich mit beiden Händen in die Haare und strich sie hinter die Ohren zurück. Dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und holte tief Luft. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte oder auch nur in Ansätzen Ordnung in seine wirbelnden Gedanken gebracht hatte, ließ ein unterdrücktes Wimmern ihn und auch Arnulf zu Tür herumfahren.
    Dort stand eine Frau, größer und von üppigerer Gestalt als Dagmar. Ihre Haare waren von einem leuchtenden Rot. Sie hatte die Hände auf den Mund gepresst und starrte über die Fingerspitzen hinweg Arnulf an. Eine geraume Weile stand sie einfach nur da, dann begannen ihre Schultern zu beben. Mit einem Ruck wandte sie sich um und floh.
    Arnulf streckte die Hand nach ihr aus, machte aber keine Anstalten, ihr zu folgen. Alles, was er tat, war, leise zu seufzen.
    Die Stimmen jagten Maria durch die Straßen von Nürnberg.
    Sie rannte durch das Spittlertorviertel, vorbei an St. Sebald und dem Rathaus, und dabei hallte das Kreischen in ihren Ohren wider.
    Dummes Huhn! Wie kann man nur so blauäugig sein?
    Maria presste sich die Hände auf die Ohren.
    Was habe ich dir stets gepredigt? Es ziemt sich nicht, das zu begehren, was anderen gehört!
    An einer Hausecke blieb sie stehen, weil ihr ein Mann entgegenkam und sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Missbilligung ansah. Er konnte die keifende Stimme nicht hören, das wusste sie. Aber sie hörte sie, und keuchend stieß sie hervor: »Ich war brav! Das müsst Ihr mir glauben!«
    Der Mann runzelte die Stirn, dann entschied er, dass es besser war, das Weite zu suchen. Eilig ging er vorbei und bog in eine Gasse ein, wo seine Schritte alsbald verklangen.
    Zitternd blieb Maria zurück.
    Die Stimme schien verstummt. Hatte sie sie für den Augenblick besänftigt?
    Sie zwang sich, ihren Weg fortzusetzen. Ihr Atem ging schwer vom Laufen und auch von der Angst und der Enttäuschung, die in ihrer Brust wuchsen.
    Als Arnulf sie mit nach oben auf eines der Zimmer genommen hatte, hatte sie sich für eine Weile gestattet, zu glauben, dass er sie wenigstens ein bisschen mochte. Sie war nicht blauäuig, wie die kreischende Stimme ihr vorwarf. Sie hatte nicht gedacht, dass er sie lieben könnte, so wie sie ihn liebte. Sie hatte gewusst, dass Arnulf sie nur benutzt hatte, um seine eigene Einsamkeit ein wenig zu lindern. Aber jetzt zu erfahren, dass Dagmar ein Kind von ihm bekam, schmerzte tief in ihrem Innersten.
    Dagmar und er ... ein Kind!
    Nein, meine Kleine, das ist unmöglich! Du musst nachdenken!
    Wieder blieb Maria stehen, diesmal war sie unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Diese neue Stimme – es war nicht die kreischende, die sie bisher gehört

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