Chicagoland Vampires: Ein Biss zu viel (German Edition)
dunkelhaariger Vampir mit verschränkten Armen stand. Er machte sich keine große Mühe, seine Häme zu verbergen.
»Hallo, Morgan«, sagte ich und dachte, dass Paul seinen Sinn fürs Dramatische sicherlich lieben würde.
Morgan Greer, Meister des Hauses Navarre, war ohne jeden Zweifel gut aussehend – er war auf eine düstere, verführerische Art faszinierend. Sein verwegenes Auftreten wirkte durch seinen Sinn für Humor umso attraktiver, aber seine Unreife machte beide gute Eigenschaften zunichte, wenn man mich fragte. Dem Anschein nach besaß er alles, was sich ein Meister nur wünschen konnte: Gesundheit, gutes Aussehen, Geld und Macht. Aber er hatte die Einstellung eines verzogenen, beleidigten Teenagers.
Heute trug er ein Hemd, eng anliegende Jeans und Stiefel. Seine dunklen, welligen Haare waren schulterlang, und er sah aus, als ob er sich seit Wochen nicht rasiert hätte. Sein Gesicht wirkte hager wie das eines Supermodels und verlieh seiner Attraktivität eine weitere kantige Note.
Wir hatten seit dem Tod von Ethan und Celina nicht mehr miteinander gesprochen; ich wusste nicht, wie er dazu stand, aber ich ging davon aus, dass er im Idealfall gemischte Gefühle hatte. Heute Abend befand er sich in einer Situation, in der ich ihn noch nie zuvor angetroffen hatte – er hatte ein Date.
Die Frau an seiner Seite war groß gewachsen und schlank, hatte lange dunkle Haare und ein exotisches Gesicht. Zu ihren dunklen Leggings trug sie ein übergroßes Oberteil (zweifellos aus einer Haute-Couture-Boutique), außerdem Flambeau-Ohrringe und Stöckelschuhe mit zwölf Zentimeter hohen Absätzen. Sie sah wie ein Model auf einer Partytour aus, und für einen Augenblick verspürte ich so etwas wie Eifersucht, bevor mir klar wurde, wie egal mir das alles war.
Er ließ seinen Blick über mich schweifen, dann hinüber zu Jonah, bevor er mich wieder ansah – mit offensichtlicher Verachtung. »Du verschwendest keine Zeit, hm?«
Jonah musste die plötzliche, wütende Magie gespürt haben, die von mir aufstieg, denn er legte mir eine warnende Hand auf den Arm. Ich tätschelte sie kurz beruhigend.
»Wir arbeiten«, sagte ich und versuchte gleichzeitig die Fassung zu wahren. Es machte keinen Sinn, sich mit einem emotional verkrüppelten Vampir ein Schreiduell zu liefern.
»Offensichtlich. Worum geht’s?«
Er klang so abfällig, dass ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er mich einfach nur ärgern wollte oder tatsächlich keine Ahnung hatte, was gerade in Chicago vorging.
»Du kannst ja wohl kaum verpasst haben, dass sich der See schwarz verfärbt hat und der Himmel rot geworden ist?«
»Das hat nichts mit uns zu tun.«
Ah, das war also seine Strategie – sich absichtlich dumm stellen. Er wusste, was Sache war, spielte aber den Liebling des Greenwich Presidium und tat so, als ob das alles nichts mit den Vampiren zu tun hätte.
»Bloß weil die Vampire die Probleme nicht verursacht haben, heißt das nicht, dass wir uns nicht um eine Lösung bemühen sollten.«
»Warum sollten wir? Warum sollten wir uns nicht um unsere Häuser kümmern?«
Das Mädel an seiner Seite war offensichtlich stolz auf seine Antwort, denn sie hob keck eine Augenbraue.
»Wenn die Stadt untergeht«, sagte Jonah, »dann gehen auch die Häuser unter.«
»Chicago wird nicht untergehen«, sagte Morgan.
Jonah machte einen Schritt auf ihn zu. »Weil die anderen Häuser sich darum kümmern.« Die Anspielung war mehr als deutlich – Navarre gehörte nicht dazu.
Morgan lief rot an. »Du hast keine Ahnung, was mein Haus für die Stadt tut.«
»So sehe ich das auch«, sagte Jonah. »Wir haben keine Ahnung, weil es nämlich im Augenblick nichts gibt, worüber man eine Ahnung haben könnte.«
»Erinnere dich deines Rangs, Vampir«, brachte Morgan wütend hervor. Dieselbe Warnung, die Ethan Morgan an den Kopf geworfen hatte, als Morgan großmäulig geworden war. Im Gegensatz zu Ethan wirkte es bei ihm nicht sonderlich glaubwürdig.
»Bei allem gebotenen Respekt, Mr Greer, meine Treue gilt Scott und dem Hause Grey. Wenn Sie Bedenken wegen meines Gehorsams haben, sollten Sie das mit ihm besprechen.«
Morgan kochte offensichtlich vor Wut, denn er verströmte wütende Magie, und davon nicht wenig. Unter seiner Verärgerung versteckte sich aber noch etwas anderes, vielleicht eine Spur Angst? Das musste ich mir bei Gelegenheit mal genauer anschauen, aber eins nach dem anderen. Erst galt es, diese Krise zu überwinden.
Da er von dem Wiedersehen
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