Chili Con Knarre
und Francis taten ihr Bestes, die Rowdys unter den Teenagern in den Griff zu bekommen, aber schließlich musste James doch selbst einschreiten. Er ermahnte ein paar der besonders ausgelassenen jungen Damen und zwang sie, sich der Hausaufgabe zu widmen, derentwegen man sie schließlich in die Bibliothek geschickt hatte. Als das in den Räumen übliche gedämpfte Flüstern wiederhergestellt war, kehrte James in sein Büro zurück, um Danny und Ruby anzurufen. Doch gerade als er den Hörer abnehmen wollte, sah er Danny zur Ausleihtheke hochkommen und mit Francis sprechen. Er eilte zu den beiden, weil er seine Neugier einfach nicht bezähmen konnte.
»Ist Ihnen etwas eingefallen?«, erkundigte er sich, überrascht, Danny auf der anderen Seite der Theke zu sehen. Er hatte offenbar früher Schluss gemacht, um herzukommen, ehe James nach Hause ging.
Danny wirkte bedrückt. Sein dünnes, schulterlanges weißes Haar hatte er offenbar mit einer Müllsackklemme im Nacken lose zusammengebunden, und seine ovale, silbern gefasste Brille war fleckig. Obwohl James Dannys Erscheinungsbild immer gern mit dem von Ben Franklin
verglichen hatte, wirkte der Besitzer des Spirituosenladens doch bei weitem entspannter als der berühmte amerikanische Staatsmann, wie man ihn von den Portraitbildern her kannte. Heute jedoch sah Danny genauso verwittert aus wie Franklin auf den Hundertdollarscheinen.
»Es ist nicht mein Los, Professor«, meinte Danny seufzend. »Ich verwahre sämtliche Lose, die verloren haben, in einem Stapel in meinem Fernsehraum«, erklärte er. »Ich bilde mir ein, wenn ich lang genug spiele, muss ich statistisch gesehen auch irgendwann einmal zu den Gewinnern gehören.« Achselzuckend ergänzte er: »Muss ja kein großer Gewinn sein, aber wenigstens etwas, das beweist, dass die Chancen am Ende stimmen. Denn wenn ich schließlich gewinne, möchte ich darüber informiert sein, was ich mal hineingesteckt habe.«
Francis beugte sich über die Theke. »Dann befand sich Ihr Los für diese Ziehung also in diesem Stapel?«
Danny schüttelte den Kopf. »Das ist es ja. Es war nicht drin. Ich dachte mir zuerst, dass es sich vielleicht in dieses Audiobuch verirrt hätte, denn sowohl das Los als auch das Buch hatte ich auf dem vorderen Beifahrersitz meines Autos liegen.« Er sah James an. »Aber ich habe getan, was Sie mir nahelegten, und versuchte den ganzen Tag noch mal durchzugehen. Und da fiel mir ein, dass ich in dem Augenblick, als ich den Laden für diesen Tag dichtmachen wollte, den Wortsalat, über dem ich den ganzen Tag gebrütet hatte, plötzlich entschlüsseln konnte. Ich nahm das Lotterielos, um das Wort aufzuschreiben, und schlug dann die Zeitung auf, um die Antwort zu überprüfen.«
»Und hatten Sie recht?«, erkundigte sich Scott, der aus dem Nichts auftauchte.
»Ja«. Dannys Lippen verzogen sich zu einem zögernden Lächeln. »Aber dann warf ich die Zeitung zurück in den Papierkorb, und da muss das Los noch zwischen den Seiten gelegen haben. Dort habe ich es jedenfalls zum letzten Mal gesehen.«
James rieb sich die Schläfen. Es waren einige Tage vergangen, seitdem er das letzte Mal Kopfschmerzen gehabt hatte, aber in dem Moment, als er mit Danny und Ruby telefoniert hatte, spürte er, dass er nur noch einen einzigen stressigen Gedanken von der nächsten Schmerzattacke entfernt war. »Aber Sie sind sich nicht sicher, Danny. Dieses Los könnte am Ende doch in der Bücherkiste gelandet sein.«
»Nein, Professor. Dieses Los …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, da sich Ruby Pennington der Ausleihtheke näherte.
Rubys Gesicht war rotfleckig und ihren verquollenen Augen sah man noch die kürzlich vergossenen Tränen an. Ihr braunes, grau gesträhntes Haar hatte sie hastig zu einem Zopf geflochten, und der hing wie ein ausgefranstes Seil auf ihrem Rücken. Sie streckte ihre beiden Hände aus, die vom regelmäßigen Orgel- und Klavierspiel schwielig waren, und ergriff James’ Hände.
»Ich hab’s versucht, Professor. Ich habe mich an dieses …« sie schielte kurz auf Danny und fuhr dann fort, »dieses Stück Papier zu erinnern versucht. Doch mir will einfach nicht einfallen, was ich damit gemacht habe, und deshalb möchte ich, dass Sie dem anderen das Geld zukommen lassen. Meine Mama wird mir schon verzeihen,
und das ist der einzige Reichtum, den ich auf dieser Welt brauche.«
Dannys Augen wurden groß. Ehe ein anderer etwas sagen konnte, zog er Rubys Hände aus denen von James und hielt sie fest. »Ich bin
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