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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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heraus:
    »Vor zwei Jahren ist ein Junge verschwunden. Er gehörte einem der Chöre an, die Götz leitete. Notre-Dame-du-Rosaire.«
    »Ich habe nicht einmal gewusst, dass Götz mehrere Chöre leitete. Unter welchen Umständen ist er verschwunden?«
    »Der Knabe hat eines Abends die Kirche verlassen und ist nie in der Wohnung seiner Eltern angekommen.«
    »Vielleicht ist er ausgerissen.«
    »Er scheint tatsächlich eine Tasche gepackt zu haben. Die Ermittlungen verliefen ergebnislos. Tanguy Viesel ist spurlos verschwunden.«
    »Das könnte meine Hypothese eines pädophilen Täters erhärten, doch man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
    »Du hast recht, denn es gibt keinerlei Beweise dafür, dass Götz dabei seine Finger im Spiel hatte.«
    Volokine zündete sein Tütchen an. Nun roch es im Auto noch stärker nach Haschisch. Kasdan hatte diesen Duft immer gemocht. Er erinnerte ihn an Afrika. Ihm fiel der Gegensatz zwischen dem exotischen, aufreizenden Geruch und der absolut trostlosen Aussicht auf: schwarze Felder, schmutzige Einfamilienhäuser, ein Gewerbegebiet mit grellen Farben.
    »Ich habe die Nacht damit verbracht, in diversen Datenbanken zu recherchieren«, fuhr er fort, »um herauszufinden, ob Götz eine kriminelle Vorgeschichte hatte. Fehlanzeige.« Er machte ein knirschendes Geräusch, indem er auf seinen Daumennagel biss. »Ich habe das Sexualstrafregister durchforstet. Ich habe das Archiv des Jugendschutzdezernats konsultiert. Ich habe in der Datenbank der Zentralstelle zur Bekämpfung von Gewaltdelikten recherchiert. Aber der Name von Götz taucht nirgends auf. Der Typ hat eine absolut saubere Weste.«
    Volokine blies den Rauch langsam durch die Nasenlöcher aus:
    »Offenbar sind Sie sich da nicht so sicher, sonst hätten Sie mich nicht abgeholt.« Er nahm einen weiteren tiefen Zug. »Im Übrigen darf man bei Pädophilen nicht allzu viel auf Datenbanken geben. Ich kenne etliche Pädos, denen es gelungen ist, jahrelang durch die Maschen des Netzes zu schlüpfen. Kinderschänder sind äußerst argwöhnisch. Und gerissen. Sie sind nicht zu vergleichen mit den abgestumpften Verbrechern, mit denen Sie zu tun hatten. Ein Pädo ist nicht nur auf der Hut vor Polizisten, er misstraut allem und jedem, selbst Gott. Er steht außerhalb der Gesellschaft. Er weiß, dass das, was er tut, ungeheuerlich ist. Dass niemand Verständnis für ihn hat. Dass ihn die anderen Verbrecher im Knast kaltmachen werden. Deshalb setzt er alles daran, sich unsichtbar zu machen …«
    Kasdan zuckte mit den Achseln und fuhr fort:
    »Auch über Naseer habe ich nichts herausgefunden.«
    »Wen?«
    »Den Lustknaben von Götz. Wusstest du nicht, dass der Chilene schwul war?«
    »Nein.«
    Der Armenier seufzte:
    »Naseer ist ein etwa zwanzigjähriger Mauritier indischer Herkunft. Götz war seit mehreren Jahren sein Macker, und er geht heimlich auf den Strich. Im Übrigen erstaunt es mich, dass ich beim Jugendschutzdezernat keine Akte über ihn auftreiben konnte. Der Typ ist an der Place Dauphine, im Marais oder in den Außenbezirken bestimmt schon mal festgenommen worden. Außerdem war er minderjährig.«
    »Das alles hab ich nicht gewusst.«
    »Du scheinst ja keine Ahnung von nichts zu haben.«
    Kasdan sprach es nicht aus, aber diese Unkenntnis verstärkte noch seine Bewunderung für den Russen. Ohne den geringsten Anhaltspunkt hatte er in Bezug auf Götz vielleicht richtiggelegen. Der Russe bot ihm seinen Joint an. Der Armenier schüttelte den Kopf.
    »Sie verschweigen mir einiges«, erwiderte der junge Polizist. »Als ich Ihnen gestern meine Hypothese erzählte, dass ein Kind den pädophilen Götz aus Rache umgebracht hat, haben Sie mich für verrückt erklärt. Heute haben Sie mich abgeholt. Wahrscheinlich haben Sie in der Zwischenzeit herausgefunden, dass Götz schwul war und dass ein Junge verschwunden ist. Aber ich bin mir sicher, dass es noch etwas gibt.«
    »Das stimmt«, gab Kasdan zu. »Der Gerichtsmediziner hat mich gestern Abend angerufen. Götz hatte Narben an seinem Körper und vor allem an seinem Schwanz. Zuerst hab ich geglaubt, es wären Andenken aus Pinochets Chile. Aber diese Verletzungen sind frisch. Götz hat sich offenbar selbst verstümmelt. Es sei denn, sein Püppchen hat ihm die Rute bearbeitet.«
    »Ich merke, worauf Sie hinauswollen. Sie halten jeden Schwulen für einen Perversen, und da liegt es für sie nahe, dass er kleinen Jungs hinterherstieg …«
    »Bist du nicht dieser Meinung?«
    »Nein. Es sind drei

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