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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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völlig unterschiedliche Dinge.«
    »Ein Schwuler ist kein Pädophiler, okay. Aber Götz’ Persönlichkeit wirkt auf mich immer eigenartiger. Und sein kleiner Schatz, Naseer, erscheint mir auch nicht aufrichtig. Ein Stricher, der es gewohnt ist, die eigenartigsten Wünsche zu befriedigen …«
    Porte de la Chapelle. Die Autobahnen glichen einem Wurzelgewirr. Die schwarzen Tunnelöffnungen erinnerten an die weit aufgesperrten Rachen von Ungeheuern. Man musste die Finsternis durchqueren, um in die Stadt zu gelangen.
    Volokine drehte sich einen neuen Joint. Kasdan fragte sich, ob er in diesem Rhythmus weitermachen würde. Das Rascheln des Papiers, der Geruch des Shit, dazu der Lärm von Hupen und Motoren. Er fuhr auf die Ringautobahn Richtung Porte de Bercy.
    Der Russe strich wieder mit der Zungenspitze über die Blättchen und erklärte:
    »Spielen wir mit offenen Karten. Sie brauchen mich. Ich brauche Sie. Ich habe mit Kindern die Erfahrung, die Ihnen fehlt. Und Sie besitzen, sagen wir, eine Autorität, die ich nie haben werde. Trotzdem bleiben wir beide als Polizisten Außenseiter, und unser Verhalten ist rechtswidrig. Obwohl ich glaube, dass wir den Mistkerl erwischen können. Aber wir können es auch total vermasseln, weil uns die Mittel fehlen.«
    »Und?«
    »Nichts. Jedenfalls werden wir voneinander lernen. Wir machen sozusagen ein Praktikum, ich bei Ihnen und Sie bei mir.«
    Kasdan öffnete mit einer Hand das Handschuhfach, während er die andere am Lenkrad ließ.
    »Für dich.«
    Sein Tütchen mit zwei Fingern festhaltend, steckte Volokine die linke Hand ins Fach. Er zog eine Glock 19 heraus – eine kompakte Pistole aus Polymeren und Stahl, mit einem Magazin für fünfzehn Patronen. Kasdan beobachtete das Gesicht des Russen. Seine Miene blieb völlig unbewegt:
    »Übertreiben Sie nicht ein bisschen?«
    Kasdan spürte das Gewicht seiner Waffe, einer P. 226, 9-mm-Para der Marke Sig Sauer, die er am Morgen aus seinem Tresor herausgenommen hatte.
    »Erste Praktikumsregel: für das Schlimmste gewappnet sein.«
    Ohne seinen Joint abzulegen, steckte Volokine die Pistole in seinen Gürtel, nachdem er überprüft hatte, dass sie gesichert war. Dann zündete er in aller Ruhe seinen Spliff an. Der Umgang mit Waffen schien ihn nicht zu stören.
    »Wie lauten die anderen Regeln?«
    »Außer bei den Kindern führe ich die Befragungen durch. Immer. Und ich trete als Chef des Ermittlungsteams auf. In meiner Tasche habe ich einen alten Ausweis, der täuschend echt aussieht. Vielleicht eigne ich mich nicht dazu, Kinder zu vernehmen, aber ich bin noch immer gut darin, Erwachsene einzuschüchtern.«
    »Das glaube ich gerne.«
    »Beim ersten Schnitzer bring ich dich zurück in die Klinik. Ein falsches Wort, Entzugserscheinungen oder irgendeine andere Dummheit, und ich verfrachte dich dorthin zurück, wo ich dich geholt habe. Okay?«
    »Verstanden.«
    »Vom Dope gar nicht zu reden.«
    »Ich bin clean, Kasdan.«
    »Alle Verbrecher, die ich kannte, waren unschuldig. Alle Junkies waren sauber. Sollte ich dich tagsüber noch einmal mit Stoff erwischen, befördere ich dich direkt nach Cold Turkey . Aber vorher polier ich dir noch die Fresse. Capisce? «
    Volokine stieß den eingeatmeten Rauch aus und grinste:
    »Fühlt sich gut an, bemuttert zu werden. Und Vernoux?«
    »Um Vernoux kümmere ich mich.«
    Volokine kicherte laut – zweifellos eine Wirkung des Shit:
    »Wir beide geben bestimmt einen passablen Polizisten ab.«
    Kasdan drehte sich der Kopf. Er fragte sich, ob sie bei ihren Nachforschungen nicht ständig zugedröhnt sein würden. Um seinen Schwindel zu verscheuchen, sprach er im Tonfall eines militärischen Ausbilders:
    »Keine Fragen?«
    »Nein.«
    »Keine Regeln deinerseits?«
    »Nein, das macht meine Stärke aus.«
    Volokine wedelte mit der Hand, um den Rauch vor seinen Augen zu vertreiben, und betrachtete die Schilder oberhalb der Straße. Kasdan hatte gerade die Ausfahrt Porte de Vincennes genommen.
    »Wohin fahren wir?«
    »Wir fangen mit den Ermittlungen wieder bei null an. Du vernimmst die Chorknaben, einen nach dem anderen. Wir werden sehen, wie weit es mit deinen legendären Fähigkeiten her ist. Wenn du recht hast und einer der Jungen der Mörder ist, wird es dir nicht schwerfallen, ihn zu überführen.«
    »Ist heute Unterricht?«
    »Ja. Wir müssen jedes Gymnasium abklappern. Ich hab die Liste.«
    »Dann war es ja gut, dass ich meine Krawatte angezogen habe.«
    »Gut gemacht. Ich hoffe nur, dass Vernoux noch

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