Christmasland (German Edition)
jedoch, er sei entweder entführt worden oder tot. Sie könne sich nicht vorstellen, dass er einfach so verschwinden würde, ohne ihr vorher Bescheid zu sagen.
Wayne begriff nicht, was das alles mit Charles Talent Manx zu tun hatte. V ielleicht hatte er ja etwas übersehen? Gerade wollte er zum ersten Ausdruck zurückblättern, als er Hooper im V orgarten des Hauses auf der anderen Straßenseite hocken und bananengroße Hundehaufen im Gras hinterlassen sah. Sie hatten sogar die Farbe unreifer Bananen.
»O nein!«, rief Wayne. »O nein, Dicker!«
Er ließ die Ausdrucke fallen und rannte über die Straße.
Sein erster Gedanke war, Hooper aus dem V orgarten zu ziehen, bevor jemand etwas bemerkte. Aber dann bewegte sich in einem der Fenster die Gardine. Irgendjemand – der nette alte Mann oder seine Frau – hatte das Geschehen beobachtet.
V ermutlich wäre es das Beste zu klingeln und mit einem lustigen Spruch auf den Lippen nach einer Tüte zu fragen, mit der er das Malheur beseitigen könnte. Der alte Mann mit dem niederländischen Akzent schien auf jeden Fall Humor zu haben.
Hooper erhob sich, und Wayne zischte ihn an. »Böser Hund. Böser, böser Hund.« Hooper wedelte mit dem Schwanz, froh darüber, Waynes Aufmerksamkeit erregt zu haben.
Wayne wollte gerade die Stufen zur Tür von Sigmund de Zoets Haus hochsteigen, als er unten am Türspalt einen Schatten sah. Er betrachtete den Spion und glaubte, dahinter eine Bewegung wahrzunehmen. Jemand stand kaum drei Schritte entfernt auf der anderen Seite der Tür und beobachtete ihn.
»Hallo?«, rief er vom unteren Ende der Treppe. »Mr. de Zoet?«
Wieder flackerten Schatten im Türspalt, die Tür blieb jedoch geschlossen. Dass niemand auf sein Rufen reagierte, beunruhigte Wayne. Er bekam eine Gänsehaut an den Armen.
Ach, hör doch auf. Du benimmst dich nur so albern, weil du diese Gruselgeschichten über Charlie Manx gelesen hast. Geh hoch und klingel.
Wayne schüttelte sein Unbehagen ab und begann, die Stufen hinaufzusteigen, eine Hand nach der Klingel ausgestreckt. Er bemerkte nicht, dass sich der Türgriff drehte und sich jemand auf der anderen Seite bereit machte, die Tür zu öffnen.
Auf der anderen Seite der Tür
B ing Partridge stand am Spion. Eine Hand hatte er auf den Türgriff gelegt, in der anderen hielt er eine Waffe, die .38er, die ihm Mr. Manx aus Colorado mitgebracht hatte.
»Junge, Junge, mach dich fort«, flüsterte Bing mit dünner und angespannter Stimme. »Geh an einen andren Ort.«
Bing hatte einen ebenso einfachen wie verzweifelten Plan. Wenn der Junge die oberste Treppenstufe erreicht hätte, würde er die Tür aufreißen und ihn ins Haus zerren. Bing hatte eine Dose Lebkuchenrauch in der Tasche, und sobald der Junge drinnen war, würde er ihn damit besprühen.
Aber wenn der Junge nun schrie? Wenn er schrie und sich wehrte?
Am Ende des Häuserblocks war eine Grillparty im Gang. Kinder spielten im V orgarten mit Frisbeescheiben, und Erwachsene tranken zu viel und lachten zu laut, während sie sich von der Sonne verbrennen ließen. Bing war vielleicht nicht der Hellste, aber blöd war er auch nicht. Ein Mann mit einer Gasmaske und einer Pistole in der Hand, der mit einem schreienden Kind rang, würde ganz sicher Aufsehen erregen. Außerdem war da noch der Hund. Wenn der ihn nun anfiel? Es war ein Bernhardiner, groß wie ein junger Bär. Sollte der seinen riesigen Kopf durch die Tür zwängen, würde Bing ihn nicht mehr hinausbekommen. Es wäre so, als würde man versuchen, eine Herde Kühe daran zu hindern, durch die Tür zu brechen.
Mr. Manx würde wissen, was zu tun war – aber der schlief noch. Er lag schon seit über einem Tag in Sigmund de Zoets Schlafzimmer. In wachem Zustand war er ganz der Alte, doch wenn er einschlief, sah es manchmal so aus, als würde er nie wieder aufwachen. Manx hatte gesagt, dass es ihm besser gehen würde, wenn er erst unterwegs zum Christmasland war, und Bing glaubte ihm. Dennoch hatte Mr. Manx noch nie zuvor so alt ausgesehen, und wenn er schlief, wirkte er beinahe wie ein Toter.
Und sollte es Bing tatsächlich gelingen, den Jungen ins Haus zu zerren, was dann? Er war sich nicht sicher, ob er es schaffen würde, Mr. Manx zu wecken. Wie lange könnten sie sich hier verstecken, bevor V ictoria McQueen auf der Suche nach ihrem Sohn auf die Straße gerannt kam und die Bullen von Haustür zu Haustür gingen? Es war der falsche Ort und die falsche Zeit. Mr. Manx hatte betont, dass sie im Moment noch
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