Christmasland (German Edition)
wünschte ihr viel Spaß. Sie sah sie nie wieder.
Ihr Mann tauchte dagegen wieder auf. Seine Leiche wurde hinter ein paar Büschen auf einer Raststätte an der Interstate 87 gefunden. Jemand hatte ihm eine Kugel durch das linke Auge geschossen. Trotz seiner schweren V erletzungen hatte Agatha keine Schwierigkeiten, die Leiche zu identifizieren.
Monate später, im Herbst, klingelte um halb drei Uhr nachts das Telefon im Haus der Conlons, und Agatha nahm schlaftrunken ab. Sie hörte ein Knistern wie bei einem Ferngespräch, und dann begannen mehrere Kinder das Lied »The First Noel« zu singen. Ihre hohen, lieblichen Stimmen zitterten vor Lachen. Agatha glaubte, die Stimme ihrer Tochter zu erkennen und schrie in den Hörer: »Charlie, Charlie, wo bist du?« Aber ihre Tochter antwortete nicht, und kurz darauf legten die Kinder auf.
Der Telefongesellschaft zufolge hatte es zu dieser Zeit keinen Anruf gegeben, und die Polizei tat die Geschichte als nächtliche Fantasie einer verzweifelten Frau ab.
*
Etwa achtundfünfzigtausend Kinder werden jedes Jahr in Amerika von Unbekannten entführt, und das V erschwinden von Marta Gregorski, Rory McCombers, Amy Martin, Jake Christensen, Charlene Conlon und der Erwachsenen Anfang der Neunziger wurde aufgrund der wenigen Zeugen, den Tatorten in verschiedenen Bundesstaaten und unterschiedlichen Tatumständen erst sehr viel später in einen Zusammenhang gebracht … lange nachdem V ic McQueen in die Hände von Charles Talent Manx III . fiel.
Haverhill
I m März von V ics Abschlussjahr an der Highschool erwischte ihre Mutter sie um ein Uhr morgens mit Craig Harrison in ihrem Zimmer. Es war nicht so, dass sie rumgemacht oder sich geküsst hätten, aber Craig hatte eine Flasche Bacardi dabei, und V ic war ziemlich betrunken.
Craig verließ das Haus mit einem Schulterzucken und einem Lächeln – Gute Nacht, Mrs. McQueen, ’tschuldigung, dass wir Sie geweckt haben –, und am nächsten Morgen trat V ic ihre Samstagsschicht im Taco Bell an, ohne noch einmal mit ihrer Mutter geredet zu haben. Sie hatte keine große Lust, nach Hause zu gehen, und war sicherlich nicht auf das vorbereitet, was sie dort erwartete.
Linda saß auf V ics Bett, das ordentlich gemacht war, mit frischem Bettzeug und aufgeschütteltem Kissen, wie ein Bett in einem Hotel. Fehlte nur noch das Pfefferminzbonbon.
Alles andere war verschwunden: V ics Skizzenbuch, ihre Bücher und ihr Computer. Auf dem Schreibtisch lagen noch ein paar Sachen, aber die fielen V ic nicht sofort ins Auge. Beim Anblick ihres leeren Zimmers stockte ihr der Atem.
»Was hast du getan?«
»Du kannst dir deine Sachen zurückverdienen, wenn du dich ab sofort an meine neuen Regeln hältst«, sagte Linda. » V on jetzt an werde ich dich zur Schule fahren und zur Arbeit und wo du sonst noch so hin musst.«
»Du … du hattest kein Recht …«
»Ich habe in deinen Schubfächern ein paar Sachen gefunden, für die ich gern eine Erklärung hätte«, fuhr ihre Mutter fort, als hätte V ic gar nichts gesagt.
Linda nickte in Richtung Schreibtisch. V ic drehte den Kopf und sah, was darauf lag: eine Packung Zigaretten, ein Altoids-Döschen mit zwei Pillen, die wie rote und orangefarbene V alentinstagsbonbons aussahen, ein paar kleine Ginflaschen und zwei Päckchen Kondome mit Bananengeschmack. Eine der beiden V erpackungen war aufgerissen und leer.
V ic hatte die Kondome aus einem V erkaufsautomaten im Howard Johnson’s gezogen und eines zu einem Ballon aufgeblasen und ein Gesicht draufgemalt. Sie hatte den Ballon Schwanzgesicht getauft und die anderen Schüler während des Unterrichts damit unterhalten, als ihr Lehrer mal kurz den Klassenraum verlassen hatte. V on der Toilette zurückgekehrt war Mr. Jaffey der starke Bananengeruch aufgefallen, und er hatte gefragt, wer einen Kuchen mitgebracht hätte. Alle hatten gelacht.
Die Zigaretten hatte Craig eines Abends bei V ic liegen lassen, und sie hatte sie behalten. Sie rauchte zwar nicht, aber sie nahm gern eine Zigarette aus der Packung, wenn sie auf dem Bett lag, und atmete den süßen Tabakduft ein: Craigs Geruch.
Die Ecstasy-Tabletten schluckte V ic in den Nächten, in denen sie nicht schlafen konnte, weil die Gedanken wie kreischende Fledermäuse durch ihren Kopf wirbelten. Manchmal schloss sie nachts die Augen und sah die Shorter Way Bridge vor sich – ein schiefes Rechteck in der Dunkelheit. Sie konnte die Brücke riechen, den Ammoniakgestank der Fledermauspisse, das modrige Holz. Und in
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