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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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es vorbei. Und dann kurz das Bild einer feuchten, grün durchwucherten Lichtung. Aber das Bild verschwand fast sofort wieder.
    Sie blieb stehen. Der mondbeschienene Schnee blendete sie einen Moment, und sie blickte zu den Sternen empor, die durch das dünne Gewebe treibender Wolken blinkten. Vom Tempel, zu dem sie ging, hörte sie leises Pochen, und weit hinter ihr, aus den dunklen Labyrinthen einer schmutzigen, übervölkerten Stadt, ertönten die Schallplatten dieses verrückten Bluttrinkers, des »Rockstars«, des Vampirs Lestat.
    Dem Untergang geweiht war dieser hitzige Grünschnabel, der es gewagt hatte, aus Bruchstücken alter Wahrheiten moderne Songs zusammenzumixen. Sie hatte den Aufstieg und Fall zahlloser junger Vampire erlebt.
    Aber seine Verwegenheit faszinierte sie gleichwohl. War es möglich, daß die alarmierenden Signale, die sie hörte, irgendwie mit diesen klagenden, rauhen Liedern zusammenhingen?
    Akascha, Enkil
    Erhört Eure Kinder
     
    Wie konnte ersieh nur unterstehen, diese altehrwürdigen Namen der Welt der Sterblichen preiszugeben? Es sprach jeglicher Vernunft Hohn, daß so ein Subjekt nicht längst schon ausgestoßen war. Statt dessen suhlte sich dieses Monster in seinem Ruhm und enthüllte Geheimnisse, die es nur von Marius selbst erfahren haben konnte. Und wo war Marius, der seit zweitausend Jahren JENE, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN von einem geheimen Ort zum anderen schleppte? Das Herz würde ihr brechen, gestattete sie sich, an Marius zu denken und an die Streitereien, die sie vor langer Zeit entzweit hatten.
    Aber Lestats Schallplattenstimme war nur verstummt, verschluckt von anderen, entfernten elektronischen Klängen, von Schwingungen, die aus den Städten und Dörfern aufstiegen, von dem stets hörbaren Schrei sterblicher Seelen. Wie schon so oft vermochten ihre überempfindlichen Ohren einzelne Signale nicht zu unterscheiden. Die Flut hatte sie überwältigt, so daß sie sich lieber in sich selbst verschloß.
    Nur wieder der Wind.
    Was mußten die gesamten Stimmen der Erde dann freilich erst Der Mutter und Dem Vater bedeuten, deren Fähigkeiten seit Urzeiten ständig weitergediehen waren? War es ihnen vergönnt, wie ihr noch immer, den endlosen Schall der Geräusche einfach abzustellen oder von Zeit zu Zeit die Stimmen auszuwählen, die sie hören wollten? Oder waren sie vielleicht auch in dieser Hinsicht völlig passiv, und fesselte vielleicht das nie versiegende Getöse, das sie nicht ergründen konnten, ihre Aufmerksamkeit, während sie die ewigen Schreie der Sterblichen und Unsterblichen der ganzen Welt hörten?
    Sie sah auf zu dem hohen, zerklüfteten Gipfel vor ihr. Sie durfte nicht stehenbleiben. Sie zog die Kapuze fester über ihren Kopf und eilte weiter.
    Nachdem der Pfad sie zu einem kleinen Vorgebirge geführt hatte, sah sie endlich ihr Ziel vor sich. Hinter einem gewaltigen Gletscher erhob sich der Tempel auf einem Felsvorsprung, ein steinernes Gebäude so weiß, daß es fast unsichtbar war, dessen Glockenturm in dem wirbelnden Schnee verschwand, der gerade wieder zu fallen angefangen hatte.
    Wie lange würde sie noch brauchen, selbst wenn sie schnell vorankäme? Sie wußte, was sie zu tun hatte, dennoch graute ihr davor. Sie mußte den Naturgesetzen und ihrem eigenen Verstand trotzen und die eisige Schlucht überwinden, die sie von dem Tempel trennte. Noch nie hatte sie sich so unbedeutend, so wenig menschlich gefühlt, so weit entfernt von dem gewöhnlichen Erdenwesen, das sie einst gewesen war.
    Aber sie wollte, sie mußte zu dem Tempel. Und sie hob langsam ihre Arme, schloß die Augen, während sie sich in die Höhe zwang, und sie fühlte, wie sich ihr Körper erhob, als sei er gewichtlos, frei von Materie, nur dem Willen gehorchend.
    Eine Zeitlang ließ sie sich vom Wind herumtreiben, ließ ihren Körper durch die Lüfte tanzen. Sie schwebte immer höher, entfernte sich der Erde, die Wolken flogen an ihr vorbei, und über ihr die Sterne. Wie schwer hingen doch ihre Kleider an ihr; war sie nicht drauf und dran, unsichtbar zu werden? Wäre das nicht der nächste Schritt? Ein Stäubchen im Auge Gottes, dachte sie. Sie hatte Herzschmerzen. Welch ein Schrecken, so ganz getrennt von allem zu sein … Tränen füllten ihre Augen.
    Und wie stets in solchen Momenten erschien ihr ihre flüchtige menschliche Vergangenheit, der sie noch immer nachhing, als ein Phantasiegebilde, das sie um so mehr begehrte, je mehr es ihr entrückte. Ich habe gelebt, ich habe geliebt, mein Fleisch

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