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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gedankenverlorenes in ihrem Ausdruck, in der An, wie sie nickte und sagte, es gehe mir besser, als ich sie danach fragte.
    Sie sah immer aus, als sei sie tief in Gedanken. Lange blieb sie da und schaute auf mich herab, als ob ich sie ratlos machte, und dann bückte sie sich langsam herunter und drückte ihre Lippen auf meine. Rohe Erregung durchströmte mich vibrierend.
    Wieder schlief ich.
    Es kamen keine Träume.
    Es war, als wäre ich immer schon ein Mensch gewesen, immer schon in diesem Körper, und, oh, ich war so dankbar für dieses weiche, saubere Bett.
    Nachmittag. Fetzen von Blau hinter den Bäumen.
    Wie in Trance sah ich zu, wie sie das Feuer in Gang brachte. Ich sah den Lichtschein auf ihren glatten nackten Füßen. Mojos graues Fell war von feinem Pulverschnee überstäubt; er fraß ruhig und gleichmäßig von einem Teller, der zwischen seinen Pfoten stand, und blickte hin und wieder zu mir auf.
    Mein schwerer menschlicher Körper köchelte noch immer in seinem Fieber, aber er war schon kühler, fühlte sich besser, die Schmerzen waren nicht mehr so akut, das Frösteln war ganz weg. Ah, warum hatte sie das alles für mich getan? Warum? Und was kann ich für sie tun, dachte ich. Ich hatte keine Angst mehr vor dem Sterben. Aber wenn ich daran dachte, was vor mir lag-der Körperdieb mußte gefaßt werden -, durchfuhr mich die Panik wie ein Stich. Und für eine weitere Nacht wäre ich zu krank, um von hier fortzugehen.
    Wieder lagen wir einander in den Armen und dösten, ließen das Licht draußen matter werden, und das einzige Geräusch war Mojos schweres Atmen. Das kleine Feuer loderte. Im Zimmer war es warm und still. Es war, als sei es auf der ganzen Welt warm und still. Es fing an zu schneien, und bald senkte sich die sanfte, gnadenlose Dunkelheit der Nacht herab.
    Eine Woge von Beschützergefühlen ging über mich hinweg, als ich in ihr schlafendes Gesicht blickte, als ich an den sanften, abwesenden Ausdruck dachte, den ich in ihren Augen gesehen hatte. Sogar ihre Stimme war von einer tiefen Melancholie gefärbt. Etwas an ihr deutete auf eine tiefe Resignation hin. Was immer geschehen mochte, ich würde sie nicht verlassen, dachte ich, bis mir eingefallen wäre, was ich tun könnte, um sie zu belohnen. Und ich mochte sie auch. Ich mochte die Dunkelheit in ihr, die verhüllten Eigenschaften, die Einfachheit ihrer Worte und Bewegungen, die Offenheit ihres Blicks.
    Als ich das nächstemal aufwachte, war der Arzt wieder da - derselbe junge Kerl mit der gelblichen Haut und dem müden Gesicht, wenngleich er jetzt etwas ausgeruht wirkte und sein weißer Kittel sehr sauber und frisch war. Er hatte mir ein kleines Stück kaltes Metall auf die Brust gelegt und lauschte offenbar an meinem Herzen oder meiner Lunge oder irgendeinem anderen geräuschvollen inneren Organ nach signifikanten Informationen. Seine Hände steckten in glatten, häßlichen Plastikhandschuhen, und er sprach leise mit Gretchen über die andauernden Probleme in der Klinik, als wäre ich gar nicht da.
    Gretchen trug ein einfaches blaues Kleid, fast wie eine Nonnentracht, fand ich nur daß es kurz war und sie schwarze Strümpfe darunter trug. Ihr glattes Haar war wunderschön zerzaust und sauber, und es erinnerte mich an das Stroh, das das Männchen im Märchen von Rumpelstilzchen zu Gold spinnt.
    Wieder erwachte die Erinnerung an Gabrielle, meine Mutter, an die gespenstische, alptraumhafte Zeit, nachdem ich sie zum Vampir gemacht hatte; sie hatte sich die blonden Haare abgeschnitten, und sie waren binnen eines Tages wieder nachgewachsen, während sie in der Krypta in ihrem todesähnlichen Schlaf gelegen hatte. Sie war fast rasend geworden, als sie es gemerkt hatte. Ich erinnerte mich, wie sie gekreischt und gekreischt hatte und sich erst gar nicht wieder hatte beruhigen lassen. Ich wußte nicht, weshalb ich jetzt daran dachte - außer weil mir das Haar dieser Frau so gut gefiel. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Gabrielle. Überhaupt nicht.
    Endlich war der Arzt fertig mit seinem Drücken und Befühlen und Anhören und ging weg, um sich mit ihr zu beraten. Zur Hölle mit meinem menschlichen Gehör. Aber ich wußte, ich war fast geheilt. Und als er wieder vor mir stand und mir sagte, ich sei bald wieder auf den Beinen und brauchte nur noch ein paar Tage Ruhe, da antwortete ich leise, das sei nur Gretchens Pflege zu verdanken.
    Daraufhin nickte er nachdrücklich und murmelte etwas Unverständliches, und dann ging er hinaus in den Schnee, und

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