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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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etwas an meiner Haut und vielleicht auch an meinen Händen aufzufallen.
    Es wurde Zeit zu gehen, ehe sein Argwohn wuchs, denn ich wollte, dass er sich gern an mich erinnerte und nicht voller Furcht. Ich hatte eine zweite Börse bei mir, die ich nun hervorzog. Sie war bis obenhin mit Goldflorinen gefüllt. Er machte eine abwehrende Geste. Ja, er weigerte sich sogar stur, das Gold anzunehmen. Ich legte es auf den Tisch. Einen Moment sahen wir uns nur an.
    »Lebt wohl, Sandro«, sagte ich.
    »Marius? So war doch der Name? Ich werde Euch in Erinnerung behalten.«
    Ich hastete zur Haustür und hinaus auf die Straße. Zwei Häuserblocks weit rannte ich, dann blieb ich mit keuchendem Atem stehen, und es schien mir wie ein Traum, dass ich bei ihm gewesen war, dass ich diese Bilder gesehen, dass ein Mensch derartige Gemälde geschaffen hatte. Ich ging nicht zum Palazzo zurück.
    Als ich im Gewölbe Jener, die bewahrt werden müssen ankam, sank ich dort zu Boden, erschöpft wie nie und ganz verstört von dem Gesehenen. Der Mann hatte einen unauslöschlichen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich sah ihn immerfort vor mir mit seinem weichen, unscheinbaren Haar und den ehrlichen Augen. Und die Gemälde, nun, sie verfolgten mich, und ich wusste, dass dies erst der Anfang meiner Qualen, meiner Besessenheit war, der Anfang einer Liebe zu Botticelli, der ich gänzlich verfiel.

 
     
     
16
     
    I n den folgenden Monaten wurde ich zum eifrigen Florenzbesucher und schlich mich in diverse Paläste und Kirchen, um Botticellis Werke zu sehen.
    Wer ihn lobte, log nicht. In Florenz wurde kein Maler so sehr verehrt wie er, und an die, die Klagen über ihn verbreiteten, vergeudete er keine Zeit, er war schließlich auch nur ein Mensch. In der Kirche San Paolino stieß ich auf ein Altarstück, eine Pieta, die mir fast den Verstand raubte. Das Gemälde stellte meines Wissens kein ungewöhnliches Thema dar. Es zeigte Christus, der eben vom Kreuz abgenommen wurde, mit den um ihn Trauernden.
    Es war ein Beweis für die wundergleiche sinnliche Darstellungskraft Botticellis, das zeigte sich ganz besonders an dem anrührenden Christus, dem er den prachtvollen Körper eines griechischen Gottes verliehen hatte, und der hinter ihm knienden Frau, die in hemmungslosem Schmerz ihr Antlitz an seines presste. Christus lag mit in den Nacken gesunkenem Kopf, sodass die Augen der Frau mit seinem Mund auf einer Höhe waren. Diese zwei Gesichter so eng aneinander geschmiegt zu sehen und die zarten Linien von Antlitz und Gestalt, das war mehr, als ich ertragen konnte.
    Wie lange sollte ich mich so quälen? Wie lange sollte ich mich dieser überschwänglichen Begeisterung, diesem Wahn der Verklärung unterwerfen, anstatt mich in die Einsamkeit und Kälte meiner Gruft zurückzuziehen? Ich wusste, wie ich mich am besten selbst strafte. Musste ich mich deshalb in Florenz derart quälen?
    Es gab Gründe, von hier fortzugehen.
    Zwei Bluttrinker machten die Stadt unsicher, die mich womöglich nicht gern hier sahen, mich jedoch bisher in Ruhe gelassen hatten. Sie waren sehr jung und nicht besonders raffiniert, trotzdem legte ich keinen Wert darauf, sie am Hals zu haben, damit sie dann »die Legende von Marius« noch weiter verbreiteten. Außerdem war da noch dieses Ungeheuer, dem ich in Rom begegnet war – dieser üble Santino, der vielleicht sogar bis hierher käme, um mich mit seinen kleinen Satansjüngern zu belästigen. Aber eigentlich war das alles recht unwichtig. Mir blieb noch Zeit in Florenz, und das wusste ich. Noch gab es hier keine Satansanbeter, und das war gut so. Ich hatte Zeit, um zu leiden, so viel ich wollte.
    Und ich war verrückt nach diesem Sterblichen, nach Botticelli, diesem genialen Maler; ich konnte kaum an etwas anderes denken.
    Derweilen entstand durch Botticellis Talent ein weiteres gewaltiges Meisterwerk. Ich schaute es mir in dem Palast an, in den es nach der Fertigstellung geliefert wurde, denn ich war in den frühen Morgenstunden, während die Besitzer schliefen, heimlich hineingeschlichen.
    Wiederhatte Botticelli ein Motiv aus der römischen Mythologie – oder vielleicht auch der griechischen, die dieser ja zugrunde lag – gewählt, um einen Garten zu malen – ja, ausgerechnet einen Garten! –, einen in ewigem Frühling verharrenden Garten, in dem sich erhabene mythische Gestalten ergingen. Ihre Gesten wirkten harmonisch und die Mienen verträumt, ihre ganze Haltung strahlte köstliche Milde aus.
    Auf der einen Seite dieses üppig

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