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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Traum befangen. Und dann die Farben, die er benutzte – die so viele florentinische Maler benutzten –, sie waren den Farben, die wir im alten Rom hatten, weit überlegen, denn sie wurden aus purem Eigelb und den zermahlenen Farbgrundstoffen gemischt, und so kamen die herrlichen Farben und die Glätte und der Schimmer zustande, die der Oberfläche unübertroffenen Glanz und Haltbarkeit verliehen. Anders gesagt, der Glanz dieser Arbeiten grenzte in meinen Augen an ein Wunder.
    So fasziniert war ich von diesen Farben, dass ich meinen sterblichen Diener ausschickte, mir die notwendigen Zutaten zu beschaffen; außerdem musste er in der Nacht einen alten Malergehilfen zu mir bringen, der für mich die Farben in der richtigen Konsistenz zusammenmischen sollte, damit ich in meinen gemieteten Räumen ein wenig malen konnte. Es war nur ein müßiges Experiment, aber bald schon arbeitete ich wild drauflos und bedeckte jeden vorbereiteten Untergrund, den mir der Geselle und mein Diener besorgt hatten, ob Holz oder Leinwand, mit Farbe. Natürlich waren beide von meiner Geschwindigkeit erschüttert, was mir zu denken gab. Ich musste mich klug verhalten. Hatte ich das nicht schon vor vielen, vielen Jahren gelernt, damals, als ich meinen Bankettsaal eigenhändig mit Gemälden versah, während meine Gäste mich anfeuerten?
    Ich schickte meine Leute mit reichlich Gold versehen aus, mir weitere Malutensilien zu beschaffen.
    Und was hatte ich nun gemalt? Eine armselige Nachäffung Botticellis, denn selbst mein unsterbliches Blut half mir nicht, die Dinge so festzuhalten, wie er es konnte. Ich brachte kein Gesicht so zustande, wie er es vermochte, nein, bei weitem nicht. Was ich malte, wirkte spröde und hart. Ich mochte mein eigenes Werk nicht ansehen. Ich fand es abscheulich. Meinen Gesichtern haftete etwas Oberflächliches, Vorwurfsvolles an, drohend starrten sie mich von der Wand herunter an.
    Von Unruhe gepackt, ging ich hinaus in die Nacht, wo ich diese anderen Bluttrinker hörte, ein junges Pärchen, das sich vor mir fürchtete, und mit Recht, aber dennoch darauf bedacht war, mich im Auge zu behalten, wenn ich mir auch nicht sicher war, aus welchem Grund. Ich schickte an den gesamten unsterblichen Abschaum, der mir eventuell in die Quere kommen mochte, eine stumme Nachricht aus: Kommt mir nicht zu nahe, denn ich bin sehr aufgewühlt und werde keine Störung dulden. Ich schlich mich in die Kirche San Paolino und sank auf die Knie, um die Pieta zu betrachten. Ich fuhr mit der Zunge über meine scharfen Zähne. Blutdurst stieg in mir auf, während die Schönheit der Gestalten mein Herz erfüllte. Ich hätte gleich hier in der Kirche ein Opfer reißen mögen.
    Und dann hatte ich einen überaus bösen Einfall. So böse, wie das Gemälde fromm war. Er kam ungebeten, als gäbe es wirklich einen Teufel und dieser Teufel wäre über die Steinplatten zu mir herangeschlichen und hätte mir die Idee in den Kopf gesetzt. Du liebst ihn, Marius, flüsterte dieser Teufel mir zu, nun, dann hol ihn in dein Reich. Gib Botticelli Das Blut.
    Ein stummer Schauder überlief mich. Ich ließ mich zu Boden gleiten und lehnte mich gegen die Wand. Wieder spürte ich den Durst. Der Gedanke an sich entsetzte mich zutiefst, und doch sah ich mich, wie ich Botticelli in meine Arme zog. Ich sah mich, wie ich die Zähne in seine Kehle senkte. Das Blut Botticellis… war mein Gedanke. Und mein Blut, mein Blut, das ich ihm gab. Denk nur, wie lange du schon wartest, flüsterte die böse Stimme des Teufels, all die endlosen Jahrhunderte, und nie hast du jemandem dein Blut gegeben. Aber nun kannst du es Botticelli geben! Nimm ihn, jetzt! Er würde immer noch malen können; er hätte Das Blut, und damit wäre seine Malerei unübertrefflich. Er würde ewig leben, und sein Talent mit ihm – dieser bescheidene Mann, der für eine Börse mit Gold dankbar war, dieser bescheidene Mann, der die herrliche Christusgestalt gemalt hatte, die ich hier anstarrte. Das kam nicht in Frage. Nein, das dürfte nie geschehen. Ich konnte das nicht machen. Ich würde es nicht machen. Dennoch erhob ich mich langsam, verließ die Kirche und schritt durch die engen, dunklen Gassen auf Botticellis Haus zu. Ich konnte das Herz in meiner Brust klopfen hören. Mein Geist schien seltsam leer und mein Körper leicht und raubtierhaft und von Bösem erfüllt, einem Bösen, das ich offen eingestand und vollkommen verstand. Übermächtige Erregung tobte in mir. Nimm Botticelli in deine Arme. Auf ewig,

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