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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Sterblicher kann hier nicht herein. Aber wenn du dich fürchtest, habe ich Verständnis dafür, dann müssen wir für dich einen anderen Unterschlupf suchen.«
    »Schläfst du hier? So völlig schutzlos?«, fragte Thorne. »Noch schutzloser, nämlich in dem oberen Schlafzimmer, wie ein Sterblicher, breit auf dem Bett ausgestreckt in dem Alkoven, inmitten der Gemütlichkeit meiner eigenen Sachen. Der einzige Feind, der mir je etwas angetan hat, war eine Horde Bluttrinker.
    Sie kamen – und anders wäre es ja nicht möglich –, während ich hellwach war und mir des Angriffs bewusst. Wenn du willst, werde ich dir diese schlimme Geschichte erzählen.« Marius’ Gesicht hatte sich verfinstert, als ob die bloße Erwähnung dieses Unglücks Erinnerungen an einen fürchterlichen Schmerz hervorriefe.
    Und plötzlich wurde Thorne klar, dass Marius diese Geschichte erzählen wollte. Marius hatte ebenso sehr das Bedürfnis, einen Strom von Worten von sich zu geben, wie Thorne das Bedürfnis hatte, Worte zu hören. Marius und Thorne waren im richtigen Augenblick aufeinander getroffen. Aber das würde bis morgen Abend warten müssen. Diese Nacht war vorbei. Marius raffte sich auf und fuhr mit seinen beruhigenden Erklärungen fort.
    »Licht kommt keines hier herein, wie du weißt, und stören wird dich auch niemand. Schlaf und träum, wie es sein soll. Wir reden dann morgen. Nun will ich mich verabschieden. Mein Freund Daniel ist jung. Er sinkt einfach auf dem Boden neben seinem kleinen Imperium nieder. Ich muss ihn dazu bringen, sich an einen bequemeren Platz zurückzuziehen, wenn ich mich auch manchmal frage, ob es eine Rolle spielt.«
    »Wirst du mir etwas verraten, ehe du gehst?«, fragte Thorne.
    »Wenn ich kann«, antwortete Marius sanft, obwohl er dabei zögerlich dreinschaute. Er wirkte, als trüge er schwer wiegende Geheimnisse mit sich herum, die er unbedingt erzählen musste, wenn er sich auch davor fürchtete.
    »Diese Bluttrinkerin am Strand«, sagte Thorne, »die, die sich all die hübschen Muscheln eine nach der anderen anschaute, was ist aus ihr geworden?«
    Marius war erleichtert. Er schenkte Thorne einen langen Blick, und dann antwortete er mit sorgfältig gewählten Worten.
    »Es wird erzählt, dass sie sich der Sonne aussetzte. Sie war noch nicht so alt. Sie fanden sie eines Abends im Mondschein. Sie hatte einen weiten Kreis aus Muscheln um sich herumgelegt, sodass man wusste, dass sie sich absichtlich getötet hatte. Es war nur noch Asche von ihr übrig, ein Teil davon war sogar schon vom Wind verweht worden. Die, die sie geliebt hatten, blieben dort stehen und sahen zu, wie der Wind auch den Rest mit sich nahm. Bis zum Morgen war alles vorbei.«
    »Wie schrecklich«, sagte Thorne. »Hatte sie keine Freude daran, eine von uns zu sein?«
    Thornes Worte schienen Marius zu treffen. Leise fragte er: »Hast du Freude daran, einer von uns zu sein?«
    »Ich glaube… ich glaube, langsam doch wieder«, sagte Thorne stockend.

 
     
     
4
     
    D er Duft eines Eichenholzfeuers weckte ihn. Thorne drehte sich in dem weichen Bett auf die andere Seite; einen Moment lang wusste er nicht, wo er war, doch er spürte keine Furcht. Er hatte mit Eis und Einsamkeit gerechnet, doch offensichtlich war er an einem angenehmeren Ort, und jemand wartete auf ihn. Er brauchte nur aus dem Bett zu klettern und die Stiegen hinaufzugehen. Dann war ihm plötzlich alles wieder klar. Er war bei Marius, diesem fremden, gastlichen Freund. Sie waren in einer verheißungsvollen, schönen Stadt, die auf den Ruinen der früheren neu erbaut worden war. Und ein gutes Gespräch erwartete ihn. Er stand auf, reckte seine Glieder in der behaglichen Wärme des Zimmers und sah sich um. Er bemerkte, dass die Helligkeit durch zwei alte, gläserne Öllampen erzeugt wurde. Wie sicher hier doch alles schien, wie hübsch das farbig gestrichene Holz der Wände! Auf einem Stuhl lag ein frisches Leinenhemd für ihn, dessen winzige Knöpfe ihm beim Anziehen einige Schwierigkeiten bereiteten. An seiner Hose war nichts auszusetzen. Er zog wollene Socken an, ließ jedoch die Schuhe stehen. Die Böden hier waren glatt, gebohnert und warm.
    Er ging mit festen, hörbaren Schritten die Treppe hinauf, denn er fand es richtig, Marius sein Kommen anzukündigen, damit er nicht der Dreistigkeit oder Heimlichtuerei bezichtigt würde. Als er an der Tür zu dem Raum vorbeikam, in dem Daniel seine wundersamen Städte und Dörfer errichtete, blieb er stehen und warf einen

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