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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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unaufdringlichen Blick hinein. Der blonde, jungenhafte Daniel war schon wieder am Werk, als hätte er während des Tages nicht geruht. Er schaute auf, als Thorne ihn grüßte, und schenkte ihm ganz unerwartet ein breites Lächeln.
    »Thorne, unser Gast!«, sagte er. Es klang ein klein wenig spöttisch, war jedoch nicht so gemeint, das spürte Thorne.
    »Daniel, mein Freund«, antwortete er, während er abermals den Blick über die kleinen Berge und Täler und die dahineilenden Züge mit ihren beleuchteten Fenstern schweifen ließ, über die Wälder mit den dicht an dicht stehenden Bäumen, die Daniel im Moment so zu fesseln schienen.
    Daniel richtete seine Augen wieder auf seine Arbeit, als ob niemand etwas gesagt hätte. Jetzt gerade tupfte er grüne Farbe auf eines der Bäumchen. Thorne wollte schon leise fortgehen, als Daniel anhob:
    »Marius sagt, was ich hier mache, ist keine Kunst, sondern nur Handwerk.« Dabei hielt er den kleinen Baum in die Höhe. Thorne wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
    »Die Berge mache ich mit meinen eigenen Händen«, fuhr Daniel fort. »Marius sagt, ich sollte auch die Häuser selbst machen.« Wieder fand Thorne keine Antwort.
    Daniel sprach weiter: »Mir gefallen die Häuser aus diesen Schachteln. Es ist nicht einfach, sie zusammenzubauen, nicht einmal für mich. Außerdem würden mir nie so viele verschiedene Haustypen einfallen. Ich weiß nicht, warum Marius sich so geringschätzig darüber äußern muss.«
    Thorne war verlegen. Schließlich sagte er einfach: »Ich weiß darauf auch keine Antwort.« Daniel blieb stumm.
    Thorne wartete aus Höflichkeit eine Weile, dann ging er weiter in den großen Raum. Inmitten der rechteckigen Kaminöffnung aus Bruchsteinen brannte ein Feuer auf dem geschwärzten Rost, und daneben hatte es sich Marius in einem mächtigen Ledersessel bequem gemacht, eher in der Haltung eines Jungen als eines erwachsenen Mannes. Er winkte Thorne, auf einer breiten Ledercouch ihm gegenüber Platz zu nehmen. »Setz dich dorthin, wenn du möchtest, oder vielleicht lieber hier?«, sagte er freundlich. »Wenn dich das Feuer stört, lasse ich es herunterbrennen.«
    »Warum sollte es mich stören, mein Freund?«, fragte Thorne, während er sich niederließ. Die Polster waren dick und weich. Als er den Raum näher in Augenschein nahm, sah er, dass die hölzernen Paneele fast alle in Gold und Blau gehalten waren. Und die Deckenbalken waren mit Schnitzereien geschmückt, ebenso wie die Stürze über den Türen. Das erinnerte ihn an die Zeit, aus der er stammte. Nur war dies hier alles neu – wie Marius gesagt hatte, war es von einem Menschen der heutigen Zeit gemacht, aber es war gut gemacht, mit viel Überlegung und Sorgfalt.
    »Bluttrinker haben manchmal Angst vor dem Feuer«, meinte Marius, den Blick auf die Flammen geheftet; auf seinem stillen, bleichen Gesicht malten sich Licht und Schatten. »Man kann nie wissen. Ich mochte das Feuer schon immer. Obwohl es mir einmal schreckliche Leiden verursachte; aber die Geschichte kennst du.«
    »Nein, ich glaube nicht«, sagte Thorne. »Nein, ich habe sie nie gehört. Wenn du sie erzählen willst – ich möchte sie gern hören.«
    »Aber du verlangst doch zuvor noch ein paar Antworten«, sagte Marius. »Du willst wissen, ob das, was du mit der Gabe des Geistes sahst, wirklich wahr ist.«
    »Ja«, gab Thorne zu. Er erinnerte sich an das Netz, an die Lichtpunkte, an den heiligen Urkern. Er dachte an die Böse Königin. Was hatte sein Bild von ihr beeinflusst? Natürlich die Gedanken der Bluttrinker, die um den Ratstisch versammelt gewesen waren. Er sah Marius direkt in die Augen und bemerkte, dass Marius haargenau wusste, was er dachte. Marius wandte den Blick ab und schaute ins Feuer. Er sagte wie nebenbei: »Leg doch die Füße auf den Tisch. Bequemlichkeit ist alles, was hier zählt«, während er selbst seiner Empfehlung folgte, und Thorne streckte die Beine aus und legte die Unterschenkel übereinander.
    »Rede, wie es dir gefällt«, sagte Marius. »Wenn du willst, erzähl mir von deinen Erfahrungen; oder sag mir, was du wissen möchtest.« In seiner Stimme schien ein Anflug von Ärger mitzuschwingen, aber nicht über Thorne. »Ich habe keine Geheimnisse«, fügte er hinzu. Nachdenklich studierte er Thornes Gesicht, dann fuhr er fort. »Da sind die anderen – die, die du am Ratstisch gesehen hast, und noch weitere, in alle Winde zerstreut.« Er seufzte kurz und schüttelte den Kopf, dann sprach er weiter: »Ich

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